8. Dezember 2023

Bosniens Separatist Milorad Dodik vor Gericht

Von Admins

Der Prozess ist außergewöhnlich – sowohl juristisch als auch politisch. Das am Mittwoch (6.12.2023) begonnene Verfahren weckt sowohl in Bosnien und Herzegowina (BiH) als auch im Ausland größte Aufmerksamkeit. Denn kein Geringerer als Milorad Dodik sitzt auf der Anklagebank – der Präsident der Republika Srpska (RS), einer der beiden Teilrepubliken von Bosnien und Herzegowina. Dodik sieht in dem juristischen Vorgehen gegen ihn einen Angriff auf Bosnien und Herzegowina. Weil, so Dodik zum Auftakt der Verhandlung, „ein Ausländer Entscheidungen und Gesetze durchgesetzt hat, die einen Angriff auf die Souveränität von BiH gleichkommen“. Eine massive Attacke auf den Hohen Repräsentanten, den Deutschen Christian Schmidt. Was ist der Hintergrund?

Der Hohe Repräsentant und das BiH-Protektorat

Nach dem Bosnien-Krieg wurde mit dem Dayton-Friedensabkommen das Amt des Hohen Repräsentanten (OHR) geschaffen. Schmidt, seit 1995 der achte internationale Politiker in diesem Amt, repräsentiert die internationale Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina. Rechenschaft gibt Schmidt Vertretern der Außenministerien von mehr als 50 Staaten und Organisationen, dem sogenannten Friedensimplementierungsrat.

Mann in Anzug und mit Krawatte (Christian Schmidt) blickt über die Kamerta hinweg
Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant für Bosnien und HerzegowinaBild: Klix.ba

Der Hohe Repräsentant besitzt in Bosnien und Herzegowina weitgehende Vollmachten. So kann er etwa demokratisch gewählte Amtsträger absetzen, Gesetze erlassen und neue Behörden schaffen. Genau dieses Recht spricht Dodik, Präsident der RS von 2010 bis 2018 und erneut seit 2022, dem Hohen Repräsentanten ab.

Die Vorgeschichte

Am 1.07.2023 hatte Christian Schmidt Änderungen am Strafgesetzbuch von Bosnien und Herzegowina verfügt. Darunter eine Verschärfung der Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für Missachtung der Entscheidungen des Hohen Vertreters. Das war der Auslöser für eine Anklage der bosnischen Staatsanwaltschaft gegen Dodik, der gegen Schmidts Verfügung rebelliert hatte.

Warum er angeklagt wurde

Dodik hatte Schmidt brüskiert, indem er dessen Entscheidungen zur Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton blockierte. Das Abkommen von Dayton beendete 1995 nach dreieinhalb Jahren den Krieg in Bosnien und Herzegowina. Der Friedensvertrag kam unter Vermittlung der USA mit der Beteiligung der Europäischen Union zustande und wurde im Dezember des gleichen Jahres in Paris unterzeichnet. Der Hohe Repräsentant überwacht die Umsetzung des Friedensabkommens und soll eine friedliche, demokratische Entwicklung Bosnien und Herzegowinas gewährleisten.

Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton am 14.12.1995 in Paris. Vorn im Bild (von links nach rechts): Slobodan Milosevic, Franjo Tudjman, Alia Izetbegovic
Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton am 14.12.1995 in Paris. Vorn im Bild (von links nach rechts): Slobodan Milosevic, Franjo Tudjman, Alia IzetbegovicBild: Gerard Julien/dpa/picture alliance

Die bosnische Staatsanwaltschaft hatte den Serbenführer im August 2023 wegen der „Nichtbeachtung“ der Entscheidungen des Hohen Repräsentanten angeklagt. Schon damals hatte Dodik angekündigt, eine Verurteilung nicht anzuerkennen. Und: Er will den Prozess gegen ihn von Sarajevo nach Banja Luka verlegen lassen.

Ein juristisches Novum

Der Prozess gegen den 64-Jährigen kommt einer Probe aufs Exempel gleich. Dabei geht es um die Frage, ob die hochzerstrittene Zentralregierung von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo einen Politiker juristisch verfolgen kann, der Dayton nicht anerkennt und offen die Abspaltung der Serben-Republik betreibt.

Obwohl Dodik im jetzigen Prozess mit einem „Angriff auf die Souveränität von Bosnien und Herzegowina“ argumentiert, gilt der Serbenführer als Separatist im Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina. Seit vielen Jahren spricht er sich immer schärfer für eine Abspaltung der Republika Srpska vom Gesamtstaat ab und strebt eine Vereinigung mit Serbien an. Dodik spricht dem Gericht jegliche Legitimität ab. Dieses sei „verfassungswidrig“ und „illegal“. Es gehe um einen „rein politischen Prozess ohne jegliche Rechtsgrundlage“, so Dodik. Vor allem ist ihm die Besetzung des höchsten BiH-Gerichts mit drei ausländischen, neutralen Richtern ein Dorn im Auge, er möchte sie entfernen.

Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, neben ihm Zeljka Cvijanovic
Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, neben ihm Zeljka Cvijanovic, die Vertreterin der bosnischen Serben im dreiköpfigen Staatspräsidium von Bosnien und HerzegowinaBild: Dragan Maksimovic/DW

Dayton, die Klammer für einen instabilen Staat

Bosnien und Herzegowina ist seit dem Dayton-Abkommen aufgeteilt in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republika Srpska mit ihrer Hauptstadt Banja Luka und die kroatisch-bosniakische Föderation Bosnien und Herzegowina mit Sitz in Sarajevo. Beide halbautonomen Landesteile (Entitäten) sind durch eine schwache Zentralregierung miteinander verbunden.

Dodik, der starke Mann aus Banja Luka

Im Juni hatte Dodik durch das Parlament der Republika Srpska zwei Gesetze absegnen lassen, mit denen die Umsetzung von Entscheidungen des bosnischen Verfassungsgerichts und des Hohen Repräsentanten verboten wird. Schmidt hob diese zwar umgehend wieder auf, Dodik aber verkündete sie trotzdem und ließ sie im Amtsblatt des serbischen Landesteils veröffentlichen.

Russland Wladimir Putin & Milorad Dodik, Präsident Republika Srpska in Sotschi
Milorad Dodik und der russische Präsident Wladimir Putin am 30.09.2018 in SotschiBild: Reuters/Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kremlin

Was Dodik will

So umstritten der starke Mann aus Banja Luka außerhalb der RS ist, so groß ist seine Wertschätzung in Russland. Dort gilt er als Verbündeter und Stachel im Fleisch des Westbalkans für Moskauer Interessen. Denn nichts ist mehr in Putins Interesse als die Auflösung Bosnien und Herzegowinas.

Und genau das ist das Ziel des rebellischen Serbenführers. Das Schicksal Bosniens sei besiegelt, verkündete Dodik im November. Der Prozess der Teilung Bosniens und der Herzegowina sei nicht mehr zu stoppen, sagte er: „Der Zug hat den Bahnhof verlassen. Es gibt kein Zurück mehr. Das ist endgültig.“