Im Visier: US-Militärstützpunkte in der Nahost-Region
Der Angriff kam aus der Luft: Am vergangenen Sonntag (28.01.24) tötete eine Drohne nahe der Grenze zwischen Syrien und Jordanien drei US-Soldaten. Außerdem verletzte sie rund 30 weitere Armee-Angehörige.
Zwei Tage später, am Dienstag, erklärte US-Präsident Joe Biden, er habe sich zu einer Reaktion entschlossen. Welche Maßnahmen er ergreifen werde, sagte er nicht. Aber er unterstrich auch später noch einmal, dass Vergeltung geplant sei.
Verantwortlich für den Angriff machten die USA die im und aus dem Irak heraus operierenden und vom Iran unterstützen Hisbollah-Brigaden („Kata’ib Hisbollah“). Diese haben inzwischen erklärt, sie wollten ihre „Militäreinsätze“ gegen US-Truppen aussetzen. Damit solle der irakischen Regierung „jede Blamage erspart“ werden, so die Gruppe auf ihrer Website. Ob Sorge vor Vergeltung bei den Brigaden selbst oder entsprechend motivierter Druck aus Bagdad oder sogar Teheran zu diesem Beschluss geführt haben – darüber kann nur spekuliert werden.
Auch wenn umstritten ist, in welchem Maße Milizen wie die Hisbollah-Brigaden Einsatzbefehlen aus Teheran gehorchen oder bis zu einem gewissen Grad doch eigenständig über ihre Angriffe und weitere Militäraktionen entscheiden: Klar ist, dass sie vom Iran unterstützt werden und die USA im Visier haben. Nach Angaben des Pentagons haben iranisch unterstützte Milizen in den vergangenen vier Monaten über 150 Angriffe auf von US-Streitkräften besetzte Stützpunkte im Irak und in Syrien verübt. Damit schürten sie große Sorgen über eine weitere mögliche Eskalation in Nahost. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte bereits vor einem „weiteren Übergreifen“ des Krieges in Gaza auf die gesamte Region.
Gleichzeitig zwingen der Gaza-Konflikt und die dadurch verstärkte anti-westliche Stimmung in weiten Teilen der Region alle beteiligten Seiten zunehmend dazu, Sicherheitspartnerschaften zwischen arabischen Staaten und den USA zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszurichten oder abzuändern.
Konkurrierende Interessen in Syrien
Der Angriff vom Sonntag ereignete sich in der Nähe des Stützpunkts Al-Tanf in Syrien, nahe der irakischen und jordanischen Grenze. „Seit 2016 dient Al-Tanf als Ausgangspunkt für Operationen zur Bekämpfung des Islamischen Staates wie auch zur Ausbildung der syrischen, gegen die dschihadistische Gruppe kämpfenden Oppositionsgruppen“, heißt es in einem Papier
des renommierten Thinktanks International Crisis Group aus der vergangenen Woche.
Rund 900 US-Soldaten halten sich derzeit in Syrien auf, offiziell weiterhin als Teil der internationalen Koalition im Kampf gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS). Der IS hatte 2014 große Teile des Irak und Syriens unter seine Kontrolle gebracht. Seit 2019 gilt er aber als weitgehend besiegt.
Beobachter waren zuletzt immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass es kaum noch Operationen gegen den IS gebe. Allerdings gibt es andere Herausforderungen: Das Grenzgebiet Nordsyriens ist ein Puzzle aus konkurrierenden nationalen und internationalen Interessen, in dem unter anderem die Türkei, Russland, Iran, die USA sowie verschiedene syrische und syrisch-kurdische Akteure präsent sind.
Aus diesem Grund halten sich auch US-Truppen weiterhin dort auf. Die Basis Al-Tanf werde auch genutzt, um „die Aktivitäten iranischer Stellvertreter in Syrien zu stören“, erklärten kürzlich
Analysten des Washingtoner Instituts für Nahostpolitik. „Sie dient auch als Druckmittel in den langwierigen Verhandlungen über die Zukunft des Landes.“
Zudem unterstützen amerikanische Soldaten auch so genannte „Partnerorganisationen“ in der Region, darunter die Syrian Democratic Forces. Diese syrisch-kurdische Gruppe kontrolliert große Teile des syrischen Nordostens.
Kniffliger Balanceakt in Jordanien
Der Drohnenangriff vom Sonntag traf den so genannten Tower 22, einen rund 20 Kilometer vom Stützpunkt al-Tanf entfernten Logistikstützpunkt in Jordanien. Dort sind rund 350 US-Soldaten stationiert. Ihre offizielle Aufgabe auch hier: der Kampf gegen den IS.
Dass sich US-Truppen auch in Jordanien befinden, versucht die Regierung in Amman derzeit herunterzuspielen. Zuletzt hatte das jordanische Königshaus die Art und Weise der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen kritisiert – und viele Bürger sehen Israels Politik ohnehin sehr kritisch. Diesen Umstand versuchen Regierung und König Abdullah II. mit ihrem gleichwohl vorhandenen Interesse an langfristiger Zusammenarbeit mit Israel und den USA in Einklang zu bringen.
Derzeit befinden sich auf Einladung der Regierung rund 3000 US-Soldaten in Jordanien. Das US-Militär hat wesentlich zu Finanzierung und Aufbau der jordanischen Grenzsicherung beigetragen. Im Gegenzug nutzt das US-Militär regelmäßig jordanische Luftwaffenstützpunkte. Die Jordanier bestreiten allerdings, dass über sie auch amerikanische Waffen nach Israel transportiert würden.
Bevorstehender Abschied aus dem Irak?
Während und nach der US-Invasion im Irak, durch die das Regime von Saddam Hussein gestürzt wurde, erreichte die Zahl der US-Truppen dort einen Höchststand von etwa 150.000. In den letzten zwei Jahrzehnten schrumpfte diese Zahl allerdings auf inzwischen nur noch rund 2500 Soldaten. Diese Truppen sind offiziell ebenfalls im Rahmen der Koalition für den Kampf gegen die Terrorgruppe IS vor Ort.
In der Debatte über die US-Präsenz stehe die Anti-IS-Mission allerdings längst nicht mehr im Mittelpunkt, so Sajad Jiyad vom Think Tank Century Foundation im Gespräch mit der DW. „Die Iraker haben inzwischen vermutlich hinreichend eigene Fähigkeiten, um den IS zu hindern, wieder einen großen Aufstand zu starten.“
Dennoch habe die US-Präsenz für das Land weiterhin Vorteile, so Jiyad. So leisteten die US-Truppen einen Beitrag zu Ausbildung, Aufklärung, Luftunterstützung und Austausch von Informationen. Die USA selbst sehen sich im Irak offenkundig auch als Gegengewicht zum wachsenden iranischen Einfluss im Land.
Allerdings kommt es genau aus diesem Grund im Irak bereits seit Jahren zu Angriffen auf US-Truppen, die im Zuge des Gaza-Kriegs noch einmal deutlich zugenommen haben: In den rund zwei Jahren seit Januar 2021 verzeichneten die USA im Irak rund 60 Angriffe auf ihre Truppen. Doch seit Mitte Oktober 2023 stieg die Anzahl der Angriffe auf fast 160. Vom Iran unterstützte Kräfte wie die Hisbollah-Brigaden sind strikt gegen die US-Präsenz und attackieren immer wieder US-Stützpunkte, auch wenn sie diese nun bis auf Weiteres „ausgesetzt“ haben.
Im Irak wird derzeit diskutiert, ob die verbleibenden US-Soldaten aufgefordert werden sollen, das Land endgültig zu verlassen. Die Regierung selbst stellt die US-Präsenz öffentlich in Frage und hat dafür sogar eine Kommission gegründet. Ob es wirklich bald entsprechende Ergebnisse geben wird, scheint aber eher unsicher.
Katar, Bahrain, Kuwait: Kleine Partner, große Basen
Die mit Abstand größten US-Militärbasen liegen auf dem Gebiet der kleineren Golfstaaten. Insgesamt beherbergen Katar, Kuwait und Bahrain mehr als 30.000 US-Militärangehörige. Alle drei Länder gelten in den USA als wichtige Verbündete außerhalb der NATO.
Als Ergebnis einer seit den späten 1980er Jahren gewachsenen militärischen Partnerschaft verfügt Kuwait heute über die viertgrößte US-Truppenpräsenz weltweit. Zwar ist Kuwait ein flächenmäßig kleiner Staat. Doch das Land sei aufgrund seiner zentralen geografischen Lage in der nordöstlichen Ecke der arabischen Halbinsel und auf dem Luftkorridor zwischen Europa und Asien von strategischer Bedeutung, analysiert das in Washington ansässige Middle East Institute in einem Bericht
aus dem Jahr 2022.
Kuwait selbst verhält sich in regionalen Streitigkeiten oft neutral und ist zu seiner eigenen Verteidigung auf die Präsenz der USA angewiesen. Im Gegensatz zu vielen anderen US-Verbündeten in der Region erhebt es von den Amerikanern auch keine Gebühren für die Nutzung seines Landes.
Auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Udeid in Katar sind rund 10.000 US-Bedienstete präsent. Er diente als Hauptquartier für die US-Operationen in Afghanistan und dann auch für den 2021 einsetzenden Abzug aus dem Land. Katar und die Vereinigten Staaten unterhalten seit den frühen 1990er Jahren militärische Beziehungen. Anfang Januar erneuerten beide Staaten ihre Vereinbarung über den Luftwaffenstützpunkt um weitere zehn Jahre. Beobachter vermuten
, dass das Abkommen aufgrund der Spannungen rund um den Gaza-Konflikt eher zurückhaltend bekanntgegeben wurde.
Der größte amerikanische Marinestützpunkt im Nahen Osten befindet sich allerdings in Bahrain. Dort ist die fünfte Flotte der USA mit über 9000 Militärangehörigen stationiert.
Bahrain war das erste Land im Nahen Osten, das einen großen US-Militärstützpunkt beherbergte. „Strategisch gesehen ist Bahrain der zentrale Knotenpunkt der internationalen maritimen Präsenz zur Sicherung der wichtigsten Engpässe der Welt“, schrieben Analysten des Atlantic Council Ende 2023. Damals hatte Bahrain ein neues strategisches Kooperationsabkommen mit den USA unterzeichnet.