Ukraine: Leopard-1-Panzer zur Unterstützung der Infanterie
Das Foto soll Optimismus verbreiten, während im Osten der Ukraine die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten an der Front immer mehr von russischen Streitkräften bedrängt werden: Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow veröffentlicht diese Woche ein Foto mit seinem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius zusammen mit einem Panzer-Modell des deutschen Leopard 2 nach ihren Gesprächen in Kiew.
Pistorius bekräftigt am Rande seines Kiew-Besuchs, dass Deutschland noch im März die ersten von insgesamt 14 Leopard-2-Panzern an die Ukraine abgeben wolle. Und er sichert Kiew zu, dass aus Deutschland auch rund 100 Panzer der älteren Leopard-1-Variante aus Beständen der Rüstungsindustrie an die ukrainische Armee liefern werde.
Allerdings können beide Panzertypen an der Front nur höchst unterschiedlich eingesetzt werden. Im Vergleich zum moderneren Leopard 2 ist die Ursprungsvariante nur schwach gepanzert. „Die erste Generation des Leopard wurde zu einer Zeit gebaut, als ein vollständiger Schutz gegen panzerbrechende Mehrfachgeschosse technisch nicht möglich war“, sagt der Direktor des Deutschen Panzermuseums in der norddeutschen Kleinstadt Munster, Ralf Raths, im DW-Gespräch. „Die Konstrukteure des Leopard-1-Panzers entschieden sich daher bewusst dafür, das Fahrzeug durch eine dünnere Panzerung leichter zu machen und stattdessen einen möglichst starken Motor einzubauen, um den Panzer so schnell und wendig wie möglich zu machen.“
Leopard 1 zum Schutz der ukrainischen Soldaten im Gefecht
Experten gehen davon aus, dass der ältere Leopard aber im Verbund mit den Anfang des Jahres zugesagten Schützenpanzern wie dem deutschen Marder oder dem amerikanischen Bradley der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf helfen könnte. Im Moment kämpfen ukrainische Soldatinnen und Soldaten noch immer häufig ohne gepanzerte Fahrzeuge an der Front im Osten und Süden ihres Landes.
US-Präsident Joe Biden hatte Anfang des Jahres 60 dieser Truppenpanzer zugesagt. Vor zehn Tagen haben die ersten den US-Hafen Charleston im Bundesstaat North Carolina verlassen. Das berichtete das „Transportation Command“, die Logistiker der US-Streitkräfte.
Anders als sein Nachfolger könne der Leopard 1 In einem direkten Panzergefecht gegen russische Einheiten im Osten der Ukraine wohl nur schwer bestehen, meint Raths. Dafür brauche es den Leopard 2.
Zunächst 14 Leopard-2-Panzer bis Ende März
Deutschland will die Ukraine in einem ersten Schritt mit 14 Panzern vom Typ Leopard 2A6 aus Beständen der Bundeswehr unterstützen. Insgesamt verfügt Deutschland selbst über 328 Leopard-Kampfpanzer – wie viele von ihnen sofort einsetzbar wären, darüber streiten die Experten.
Ziel der westlichen Staaten ist, so heißt es, der Ukraine möglichst schnell ausreichend Leoparden für zwei Panzerbataillone zu übergeben. Bei der Bundeswehr umfasst ein Kampfpanzerbataillon 44 Leoparden. Dafür müssten weitere europäische Partner Panzer zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung will für die Panzer-Lieferungen anderer Staaten jetzt die Genehmigungen erteilen. Ein solcher Genehmigungs-Vorbehalt ist bei Waffengeschäften international üblich und in den Verträgen festgeschrieben.
„Den russischen Modellen weit überlegen“
Die Reaktion aus Moskau zeigt, welche Bedeutung den Leoparden zukommt. Die Lieferung des Leopard-Panzers und anderer Waffensysteme nannte Moskau eine „direkte Beteiligung“ an dem Konflikt. Genau die Lesart, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stets hatte vermeiden wollen. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter begrüßt derweil im Gespräch mit der DW die Entscheidung der Regierung: „Westliche Modelle schützen die Soldaten wesentlich besser und steigern damit die Kampfmoral. Zudem sind sie technisch den sowjetischen Modellen weit überlegen. Raumgreifende Operationen können so wieder realistisch sein. Damit können größere Gebiete von russischer Besatzung befreit und Kriegsverbrechen verhindert werden.“
Militärexpertin hofft auf klare Verbesserung
Für die Militärexpertin Marina Miron vom Londoner King’s College muss sich allerdings noch herausstellen, welchen Wert genau die Leopard-Panzer für die Ukraine haben. Sie sagt der DW: „Wir wissen noch nicht, welche Versionen der Leopard-Panzer die Ukraine nun konkret bekommt, aber die Hoffnung ist natürlich groß, dass sie eine klare Verbesserung gegenüber dem darstellen, was die Ukraine zur Zeit hat.“
Bei der jetzt angedachten NATO-Lieferung in die Ukraine geht es um knapp 90 Panzer. Auch Finnland, das noch kein NATO-Mitglied ist, hat angekündigt, Leopard-Panzer an die Ukraine liefern zu können. Und dort, im Kriegsgebiet, erhoffen sich nicht wenige Militär-Experten eine entscheidende Wende im Krieg mit Russland, vor allem bei der Rückeroberung von Gebieten im Osten des Landes.
Der Leopard 2 und sein Vorgänger Leopard 1 gelten als militärische Exportschlager Deutschlands. Der Kampfpanzer Leopard 2 wird seit 1978 in Serie gebaut und wurde seitdem vielfach verbessert. Durch den großen Exporterfolg des Panzers der Firma Krauss-Maffei Wegmann existieren sehr viele unterschiedliche Versionen, die jeweils an die besonderen Anforderungen der Käufer angepasst wurden. Auch das Vorgängermodell Leopard 1 ist sehr oft verkauft worden und leistet nach wie vor in vielen Armeen der Welt Dienst. Sein Zweck ist die Abwehr feindlicher Panzerverbände.
60 Tonnen schwer, über 60 Stundenkilometer schnell
Der Leopard 2 hat eine 120-Milimeter-Kanone, mit der er auch während der Fahrt stehende oder bewegliche Ziele angreifen kann. Der Panzer kann mit einer Zusatzausrüstung bis zu vier Meter tiefe Gewässer durchqueren. Der 1500 PS starke und mehr als 60 km/h schnelle Panzer ist ein Schwergewicht. Seine mehr als 60 Tonnen sind immer wieder ein Problem für Brücken. In Einsätzen in Afghanistan hat sich der Leopard nach Darstellung der beteiligten kanadischen und dänischen Soldaten vor allem wegen seines hohen Schutzes gegen Angriffe bewährt.
Der Leopard und seine Lieferung an die angegriffene Ukraine – für viele deutsche Politiker kann das ein Wendepunkt im Krieg werden. So sagt der SPD-Verteidigungsexperte Nils Schmid der DW: „Wir sind überzeugt davon, dass diese Lieferung für die Ukraine im Frühling einen entscheidenden Vorteil darstellt. Denn die Kampfkraft des Panzers ist hoch, wesentlich höher als die aller Waffen, die wir bisher geliefert haben.
Zusammen mit der Stärkung der Luftverteidigung kann die Ukraine damit die militärische Balance zu ihren Gunsten verändern – und so den russischen Präsidenten Putin zu ernsthaften Verhandlungen über die Rückgewinnung der ukrainischen territorialen Integrität zwingen.“