Fragestunde im Bundestag: Kanzler Scholz im Wahlkampfmodus
Ob es die Umfragen sind, die die Sozialdemokraten von Bundeskanzler Olaf Scholz zuletzt leicht im Aufwind sehen? Eine Umfrage des Insa-Instituts zumindest sieht die SPD am Mittwoch bei 16 Prozent. Oder ist es die Tatsache, dass der deutsche Regierungschef nicht vom Rednerpult im Bundestag aus sprechen muss, sondern von seinem Platz von der Regierungsbank aus?
Wie auch immer: Bei diesem Frage- und Antwortspiel, das im Deutschen Bundestag stattfindet, ist Scholz ganz offensichtlich in seinem Element. Mit fester Stimme und angriffslustig antwortet er auf die Fragen der Abgeordneten. Eine Frage eines FDP-Parlamentariers etwa zu Waffenlieferungen an die Ukraine beantwortet er so: „Für eine Partei, die mit der Fünf-Prozent-Hürde zu kämpfen hat, sind Sie ganz schön tapfer.“
Frage- und Antwortspiel in der Regierungskrise
Die FDP war der Auslöser für die heftige Regierungskrise, die dazu geführt hat, dass Scholz nun in einer Minderheitsregierung das Land führt- zusammen mit den Grünen. Die Menschen in Deutschland müssen deshalb im Februar 2025 einen neuen Bundestag wählen. Die FDP verließ vor gut einem Monat die Regierung aus SPD, Grünen und FDP und kämpft im nun beginnenden Wahlkampf um ihre Existenz.
Und Olaf Scholz kämpft um sein Amt, offensichtlich mit Freude. Acht Minuten hat der Kanzler zu Beginn der Fragestunde Zeit für einige einführende Worte. Er berichtet von seinem Besuch in der Ukraine zu Beginn der Woche, davon, dass die Unterstützung Deutschlands für die angegriffenen Ukrainer nicht nachlassen werde.
Keine weitreichenden Raketen für die Ukraine
Siebzehn Mal habe er sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen seit seinem Amtsantritt, berichtet Scholz. Er sagt, dass Deutschland Waffen geliefert und viele Geflüchtete aufgenommen habe. Aber er betont auch, dass er als Kanzler weitreichende Raketen, die auch Ziele in Russland erreichen können, nicht liefern wird. Das soll offenbar ein wichtiges Motto im Wahlkampf sein: Besonnen bleiben, eine Verwicklung Deutschlands und der NATO in den Krieg vermeiden.
Aber hat nicht seine eigene Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen eine mögliche Beteiligung deutscher Soldaten an einer Friedensmission in der Ukraine in der Zukunft ins Spiel gebracht, wird er gefragt. Auch das bringt Scholz nicht aus der Ruhe. Baerbock sei nach so einer Möglichkeit bei einer Pressekonferenz gefragt worden, und weiter: „Sie hat versucht, weder Ja noch Nein zu sagen. Das war eine Frage, auf die sie versucht hat, eine diplomatische Antwort zu geben. Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir in der gegenwärtigen Situation Soldaten in die Ukraine schicken.“
Werben um Zustimmung aller Fraktionen für offene Projekte
Dann fordert Scholz alle Parteien im Bundestag auf, noch vor der Wahl bei einigen wichtigen Projekten mitzuwirken, trotz des heftigen Parteienstreits, der schon begonnen hat: „Die Zeit des Wahlkampfs ist nicht die Zeit des Stillstands. Man kann noch etwas tun. Ich bitte Sie, dabei mitzuwirken“, ruft Scholz in den Plenarsaal.
Er zählt auf: Notwendig seien Entlastungen der Bürger bei der Einkommensteuer, eine Erhöhung des staatlichen Geldes für jedes Kind, und eine Fortführung des preisgünstigen Deutschlandtickets für die Bahn. Amtsmüde wirken diese Ausführungen des Kanzlers nicht.
Zur Zeit wenig Chancen für Scholz für eine Wiederwahl
Aber an diesem Punkt, bei den noch möglichen Projekten, kann Scholz wirklich nur bitten: Seine Rest-Regierung hat keine Mehrheit mehr. Dass er selbst nach der Wahl im Februar noch im Amt bleiben kann, ist mehr als ungewiss: Die Konservativen von CDU/CSU sind in den Umfragen weit enteilt und liegen derzeit zwischen 32 und 34 Prozent.
Die Sozialdemokraten von Scholz kommen mittlerweile wieder auf rund 16 Prozent, standen aber erst kürzlich etwa im ARD-Deutschlandtrend deutlich schlechter da. Eine Verteidigung des Kanzleramtes scheint da für Scholz im Moment schwer möglich.
Beim Thema Südkorea nicht auf dem neusten Stand
Ob das der Grund ist, dass Scholz in diesen hektischen Zeiten hier und da den Überblick verliert? Die frühere CDU-Bundesministerin Julia Klöckner fragt ihn, wie er die zwischenzeitige Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea bewertet.
Da antwortet Scholz: „Mein Wunsch ist, dass das ganz schnell zurückgenommen wird, wie das koreanische Parlament auch gefordert hat.“ Er muss sich von Klöckner sagen lassen, dass das Kriegsrecht bereits aufgehoben worden sei.
Kanzler-Befragung im Parlament war Wunsch der SPD
Die Regierungsbefragung, die Scholz nach 70 Minuten beendete, wurde vor allem auf Betreiben der Sozialdemokraten vor einigen Jahren eingeführt. Die Partei des jetzigen Kanzlers bemängelte 2017, dass die oft langen und wenig spannenden Regierungserklärungen der damaligen Kanzlerin Angela Merkel nicht zu wirklichen Debatten im Bundestag führen würden.
Neidisch ging der Blick nach London, wo sich Premierminister und Opposition oft im Unterhaus einen leidenschaftlichen und kontroversen Schlagabtausch liefern. So etwas wollten die Sozialdemokraten, damals kleiner Koalitionspartner an der Seite Merkels, auch haben. Merkel war zunächst skeptisch, gab aber nach. Seitdem kommt der Bundeskanzler (oder die Bundeskanzlerin) dreimal im Jahr ins Parlament und beantwortet Fragen – diesmal mitten im Wahlkampf.