Trauer um Papst Benedikt: „Glücklich, dass ich zufällig hier bin“
„Für mich und meine Familie war er immer wie ein Vater“, sagt die junge Italienerin Astia, die gerade aus dem Petersdom wieder auf den großen weitläufigen Platz mit den Kolonnaden tritt. Den aufgebahrten Leichnam des verstorbenen Benedikt XVI. zu sehen, war für sie ein wichtiger Abschied. „Das war ein interessanter und emotionaler Moment. Ich bin glücklich und bewegt.“
Unter der gewaltigen Kuppel des Petersdoms liegt Benedikt nicht in einem Sarg, sondern auf Kissen gebettet auf einem leicht schrägen Podest, gekleidet in ein weißes liturgisches Gewand mit rotem Umhang, auf dem Kopf eine weiße Mitra. In den gekreuzten Händen hält er einen Rosenkranz. Schlicht, ohne päpstlichen Pomp. So hatte es sich Joseph Ratzinger, wie Benedikt XVI.vor seiner Wahl zum Papst im Jahr 2005 hieß, für das Ende seines Lebens gewünscht. Schließlich war er schon vor fast zehn Jahren von seinem Amt zurückgetreten. Er trägt nicht die berühmten roten Schuhe, die er als Papst gerne anhatte, sondern schlichte schwarze Schuhe. Darauf wies ein Sprecher des Vatikans extra hin.
Trauernde und Touristen nehmen Abschied
Tausende Menschen haben sich heute kurz vor dem am 31. Dezember verstorbenen Papst verneigt. Zu den ersten, die am Morgen in die Vatikanstadtkamen, gehörten der italienische Präsident Sergio Mattarella und die neue italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni, deren rechtsextreme Partei sich gerne auf konservative, katholische Familienwerte beruft. Ganz nah bei Benedikt XVI. war unter den Trauergästen auch Georg Gänswein, seit 20 Jahren enger Freund und Vertrauter des emeritierten Papstes, sein Privatsekretär und Begleiter auch in den letzten Jahren im Kloster in den Vatikanischen Gärten. Kurienbischof Gänswein, trug zeitweise eine dunkle Brille in der Basilika, vielleicht um Tränen der Rührung über die Anteilnahme von Tausenden Menschen zu verbergen.
Ein steter Strom von Menschen zieht seit Montagmorgen an der sterblichen Hülle des zurückgetretenen Papstes vorbei. Einige halten kurz inne, um zu beten. Andere versuchen mit ihren Handys ein Foto zu machen. „Na ja, viele der Menschen in der Kirche sind ja nur Touristen und nicht unbedingt gläubige Fans des Papstes“, meint David Kelly aus Frankreich zu den Szenen am Hochaltar. Natürlich werden auch viele Touristengruppen, die zufällig in der ewigen Stadt sind und den Petersdom sowieso besucht hätten, Zeuge des historischen Abschieds. Es ist das erste Mal seit Jahrhunderten, dass ein amtierender Papst, also Franziskus, einen verstorbenen Papst am Donnerstag beerdigen wird.
„So herrlich konservativ“
„Ich bin echt glücklich, dass ich zufällig hier bin“, sagt die US-Amerikanerin Denise Morise, die in Rom Urlaub macht. Ihr Vater habe Benedikt verehrt, weil der so herrlich konservativ gewesen sei. Die Kirche werde den Verlust verschmerzen: „Die Kirche wird sich immer weiterentwickeln. Für uns, die Mitglieder dieser Kirche, wird sie immer bedeutend bleiben.“
Nicht zufällig, sondern wegen des aufgebahrten Pontifex ist ein Mann aus Polen angereist, der seinen Namen nicht nennen möchte. Der gläubige Katholik meint, er sei sehr traurig, wenn er an den Tod von „Paparazzi“, so einer der Spitznamen von Joseph Ratzinger, nachdenke. „Er war sehr traditionell. Wir in Polen mögen diese traditionelle Art von Kirche und Glauben. Heute bete ich für Paparazzi.“ In der Tat hat der deutsche Theologieprofessor Joseph Ratzinger als Papst die konservativen Lehren seines polnischen Vorgängers Johannes Paul II. fortgeführt. Ratzinger war schließlich Jahrzehnte Leiter der Glaubenskongregation, dem zweitwichtigsten Amt im Vatikan, wenn es um die katholische Lehre geht.
Abgehobener Intellektueller oder großer Theologe?
Draußen vor den Toren der gewaltigen Renaissance-Basilika stehen die Menschen weiter Schlange. Zwei Stunden muss man sich gedulden. Der Platz ist gut gefüllt, aber nicht überfüllt. Beim Tod des Vorgängers von Benedikt XVI., des äußerst beliebten Johannes Paul II., kamen Millionen Menschen nach Rom, um Abschied zu nehmen. Benedikt, der gerade auch italienischen Gläubigen als der abgehobene Intellektuelle gilt, war in Italien weit weniger populär – auch als der aktuelle Papst Franziskus.
Das lässt sich einfach an den Andenkenläden im „Borgo Pio“, einem Stadtviertel neben dem Vatikan ablesen. Hier gibt es allerlei Souvenirs von Johannes Paul II. und Franziskus zu kaufen. Nach Benedikt muss man hingegen mit der Lupe suchen, selbst jetzt in diesen Tagen. Dafür hat Schwester Maria Goretti Lee aus Südkorea wenig Verständnis. Sie lebt in Rom und hält Benedikt XVI., der zahlreiche wissenschaftliche Werke und Bücher verfasst hat, für einen wirklich großen Theologen. „Er hat uns inspiriert. Wir haben mit seinen Büchern studiert. Er hat uns in seinem Pontifikat gezeigt, dass er sehr bescheiden und eigentlich auch sehr schüchtern war.“
Eindruck eines Staatsbegräbnisses vermeiden
Eher schlicht nach päpstlichen Maßstäben sollen auch Beisetzung am Donnerstag ablaufen. So hat es sich Benedikt XVI. selbst gewünscht. Auch den Ort seiner Beisetzung hat er bestimmt: Auf dem Petersplatz wird der amtierende Papst Franziskus eine Messe im Gedenken an seinen Vorgänger feiern. Anschließend wird Benedikt XVI. in einen Sarkophag gebettet und in den Grotten des Petersdoms im kleinsten Kreise zu Grabe getragen.
In den Grotten sind rund 90 Päpste beigesetzt. Offizielle Delegationen wird es nur aus seinem Heimatland Deutschland und aus Italien geben. Der Eindruck eines Staatsbegräbnisses wird vermieden, teilte die Protokollabteilung des Vatikansmit, ob Benedikt auch Staatsoberhaupt und absoluter Herrscher im winzigen Vatikanstaat war. Erwartet werden zahlreiche Pilger aus der bayrischen Heimat des mit 95 Jahren verstorbenen Papstes, unter ihnen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Für die katholische Kirche bedeutet das Ableben des emeritierten Papstes die Rückkehr zum Normalzustand: ein lebender Papst. Aber die „Vaticanisti“, die Vatikan-Experten in italienischen Zeitungen, spekulieren schon lange, dass Papst Franziskus ebenfalls bald zurücktreten könnte. Er klagt über gesundheitliche Probleme und hat schon mehrfach Andeutungen in diese Richtungen gemacht. Franziskus ist 86 Jahre alt, ein Jahr älter als Joseph Ratzinger bei seinem Rücktritt. „Ich finde es gut, dass er damals zurückgetreten ist“, meint David Kelly aus Frankreich, der die Basilika besucht hat. „Damit hat er ein Beispiel für alle Päpste in der Zukunft gegeben.“