Was ist das Palästinenser-Hilfswerk der UN?
Fast eine halbe Million Menschen im Gazastreifen haben im Laufe dieser Woche im Zuge des aktuellen Krieges ihre Häuser verlassen. Mehr als die Hälfte von ihnen haben Zuflucht in Unterkünften des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinensische Flüchtlinge UNRWA gesucht. Das teilte deren Leiter Philippe Lazzarini am Freitag mit.
Was verbirgt sich hinter der Behörde mit dem langen Namen (auf Englisch: United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East)? Ein Überblick.
Warum wurde die UNRWA geschaffen?
Die UNRWA wurde 1949 gegründet, kurz nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948. Im Mai 1950 nahm sie ihre Arbeit auf.
Ziel war es, den mehr als 700.000 Palästinensern Hilfe zu leisten, die im Zuge des Konflikts aus ihrer Heimat vertrieben wurden, als fünf arabische Staaten den neu gegründeten Staat Israel überfielen. Die Ursachen für den Aufbruch waren vielfältig. Einige flohen, als der Krieg sich abzeichnete, andere wurden von Gruppen, die für Israel kämpften, in die Flucht getrieben oder mussten sich aus den Kampfgebieten in Sicherheit bringen.
Heute unterstützt die UN-Behörde das Bemühen, Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen für rund sechs Millionen palästinensische Flüchtlinge in Jordanien, Syrien, dem Libanon, dem Westjordanland und dem Gazastreifen bereitzustellen. „Palästinensische Flüchtlinge nehmen sie als Rettungsleine wahr“, sagte UNRWA-Leiter Lazzarini der DW vergangenes Jahr in einem Interview.
Die Hälfte seines Budgets investiert das Palästinenser-Hilfswerk in Bildung. Es betreibt über 700 Schulen und ist damit die einzige UN-Behörde, die ein vollwertiges Schulsystem betreibt, wie es in einer Pressemitteilung vom Mai heißt.
Wie finanziert sich die UNRWA?
Die UNRWA erhält fast ihr ganzes Budget aus freiwilligen Spenden von UN-Mitgliedsstaaten. 2022 beliefen sich die Zusagen auf insgesamt 1,17 Milliarden US-Dollar (1,1 Milliarden Euro), davon rund die Hälfte von EU-Staaten.
Im Januar 2023 appellierte die Organisation an die Weltgemeinschaft, ihr Budget auf 1,63 Milliarden Dollar aufzustocken. Bis zum Mai gab es allerdings nur Zusagen über ein Viertel der Summe, rund 364 Millionen Dollar.
Seit einem Jahrzehnt ist das Palästinenser-Hilfswerk unterfinanziert. Anfang 2023 betrugen die Schulden etwa 75 Millionen Euro. Ein Grund dafür ist, dass die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge kontinuierlich zunimmt. Denn auch die Nachfahren von Flüchtlingen können nach internationalem Recht Flüchtlingsstatus erhalten.
Dazu kommt, dass die USA, lange Zeit ein bedeutender Unterstützer des Hilfswerks, ihre Finanzierung 2018 auf Geheiß von Präsident Donald Trump drastisch reduziert haben. Trump äußerte immer wieder Kritik an den Vereinten Nationen und insbesondere an der UNRWA. Inzwischen fließen wieder Gelder aus Washington, tatsächlich stellen die USA den größten Teil der Unterstützung für die Behörde, gefolgt von Deutschland, der Europäischen Union und Schweden.
Warum ist die UNRWA umstritten?
Die Kritik, die Trump und auch israelische Politiker, darunter Premierminister Benjamin Netanjahu, wiederholt vorgebracht haben, bezieht sich auf die Definition palästinensischer Flüchtlinge, wie sie vom Palästinenser-Hilfswerk verwendet wird.
Laut UNRWA sind palästinensische Flüchtlinge „Personen, deren Wohnort im Zeitraum zwischen 1. Juni 1946 und 11. Mai 1948 Palästina war und die sowohl ihre Wohnung als auch ihre Lebensgrundlage infolge des Konflikts von 1948 verloren haben“. Weiter heißt es auf der Website der Organisation: „Die Nachfahren von männlichen palästinensischen Flüchtlingen, Adoptivkinder inklusive, können sich ebenfalls registrieren.“
Zivilisten sollen Gaza-Stadt verlassen
Netanjahu hat das Hilfswerk eine „Flüchtlings-Verstetigungs-Behörde“ genannt und die Auflösung gefordert. Diese Aufgabe solle nicht in der Verantwortung der Vereinten Nationen liegen, so der Premierminister.
Die UNRWA wies ihrerseits darauf hin, dass auch im Falle ihrer Auflösung diejenigen Personen, die als Flüchtlinge anerkannt seien, „immer noch Palästina-Flüchtlinge wären und ihre Rechte nach der UN-Resolution 194 behalten würden, solange es keine gerechte und dauerhafte Lösung für ihre Notlage gibt“.