Berliner Fußballfans vereint gegen Rechtsextremismus
„Kein Fußball dem Faschismus“ und „Football welcomes Refugees“ (Fußball heißt Flüchtlinge willkommen) lauteten die Botschaften der Demonstranten, die sich am Samstag um Berliner Reichstag versammelt hatten. „Wir sind die Brandmauer: Bündnis gegen rechts“ war das Motto, unter dem Hunderttausende Menschen in Berlin erneut gegen Rechtsextremismus und die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) protestierten. Inmitten des bunten Fahnen- und Plakatmeeres fanden sich auch zahlreiche Transparente mit den Wappen von Berliner Fußballvereinen.
„Ich denke, es ist wichtig, dass jeder jetzt seine Stimme gegen die Rechtsextremen erhebt, denn es ist ein entscheidender Moment“, sagte David Hoffmann der DW. „Der Sport und insbesondere der Fußball müssen aufstehen, weil so viele Menschen zusammenkommen, um Fußball zu spielen und zu sehen.“
Hoffmann gehört zu „Gesellschaftsspiele“
, einer Berliner Vereinigung, die sich mit Fußballfankultur und politischer Bildung befasst Er hat mitgeholfen, einen „Sport-Block“ aus Fans und Sportlern im Rahmen der allgemeinen Demonstration gegen die Rechtsextremisten zu organisieren. 30 Organisationen, die meisten von ihnen Fußballvereine und Fangruppen von der Bundesliga bis zur Basis der Berliner Fußballpyramide, haben sich laut Hoffmann offiziell dem Protest angeschlossen, einige haben die Anmeldung aber auch verpasst und sind trotzdem dabei. Insgesamt sind bei Demonstration daher weit mehr Sportvereine und -gruppen vertreten.
Fußball als integrative Kraft
„Es ist wirklich wichtig für unsere Demokratie, dass wir alle dagegenstehen. Dass wir gegen rechts sind. Dass wir aufpassen, dass unsere Demokratie nicht ins Wanken gerät und dass nicht die falschen Parteien an die Macht kommen“, sagt Petra der DW. Sie ist seit mehr als drei Jahrzehnten Fan von Hertha BSC und nimmt mit einer Gruppe von Hertha-Anhängern an der Demo teil.
Obwohl die Unterstützung für die AfD seit Beginn der Proteste etwas zurückgegangen ist, liegt sie in den Umfragen bundesweit immer noch bei 19 Prozent. Damit ist sie aktuell hinter der CDU die zweitbeliebteste Partei in Deutschland. Für den Union-Berlin-Fan Max, der sich mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen im Teenageralter dem „Sportblock“ angeschlossen hat, ist Fußball viel mehr als nur Wochenendunterhaltung. „Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt er. Für Demokratie zu kämpfen, bedeute, sie zu leben, ob im Fußballverein, in der Schule, auf der Arbeit oder in der Nachbarschaft.
Zahlreiche Bundesligaklubs haben ihre Fans zur Teilnahme an den Demonstrationen gegen rechts aufgerufen, und Trainer wie Christian Streich vom SC Freiburg und Xabi Alonso von Bayer Leverkusen haben ihre Unterstützung bekundet. Aber nicht nur aus der deutschen Spitzenklasse kommt Unterstützung.
„Fußball hat das Potenzial, Menschen zusammenzubringen – besonders solche aus verschiedenen Kulturen, mit unterschiedlichen Sprachen, Nationalitäten, Religionen, Geschlechtern oder Weltanschauungen. Und diese Kraft kann man nutzen, um sich gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus einzusetzen“, sagt Arne der DW. Er spielt beim Fußballverein FSV Hansa 07
aus dem Berliner Stadtteil Kreuzberg. Der Klub engagiert sich seit Jahren gegen Homophobie und Rassismus.
Rassismus in Stadien und auf Fußballplätzen
Volle Stadien und eine breite Beteiligung der Basis machen den Fußball nicht nur zu einem mächtigen Instrument, um die Massen zu erreichen. In Deutschland ist die Fußballkultur selbst hochpolitisch. Ob es um die zunehmende Kommerzialisierung des Sports geht, um autokratische Regime, die den Fußball nutzen, um ihren Ruf zu retten, oder um Reformen der polizeilichen Überwachungsgesetze – deutsche Fußballfans schrecken selten davor zurück, ihre Stimme zu erheben.
Obwohl die Bemühungen engagierter Fans und in jüngster Zeit auch vieler Vereine selbst den rechten Hooliganismus, der den deutschen Fußball in den 80er und 90er Jahren kennzeichnete, weitgehend ausgerottet haben, ist die deutsche Fußballgemeinde immer noch gespalten. Das gilt auch für das Land insgesamt.
Rassistische Beschimpfungen, sowohl im Internet als auch in den Stadien, plagen den deutschen Fußball immer noch. Und von Fans geführte Kampagnen wie die jüngste „Raus mit den Nazis aus dem Stadion“ wären nicht nötig, wenn die Fußballplätze und -stadien frei von Rechtsextremisten wären.
„Es gibt Versuche der extremen Rechten, die Fußballkultur zu untergraben. Aber wie man heute sehen kann, gibt es viele Fußballorganisationen und Fangruppen, die versuchen, diesen Bestrebungen entgegenzuwirken und zu zeigen, dass Fußball die Menschen eher zusammenbringt als sie zu spalten“, so David Hoffmann.
Deutscher Fußball bei der EURO im Rampenlicht
Die deutsche Fußballkultur wird in diesem Sommer für die ganze Welt sichtbar sein, wenn Deutschland die Europameisterschaft 2024 ausrichtet und Gäste vom gesamten Kontinent willkommen heißt. Während die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, dazu beigetragen hat, die massenhafte Zurschaustellung von friedlichem Patriotismus zu normalisieren, wird expliziter Nationalismus oft mit der extremen Rechten in Verbindung gebracht.
David Hoffmann warnt davor, dass die Rechtsextremen versuchen könnten, die bevorstehende Europameisterschaft auszunutzen. „Ich bin definitiv besorgt über den Nationalismus in Deutschland während eines großen Fußballereignisses. Aber ich denke, dass dies auch eine Gelegenheit ist, einen kritischen Diskurs über Nationalismus zu führen und darüber, welche Rolle Fußball in nationalistischen Strategien spielt“, sagt er. „Und das ist es, was wir tun müssen – mit unseren Nachbarn reden, mit unseren Freunden reden und sie darauf aufmerksam machen, dass Rechtsextreme versuchen, den Fußball zu nutzen.“
Die Fans, die an der Berliner Demonstration gegen Rechtsextremismus dabei sind, machen deutlich, dass der Fußball eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Demokratie spielen muss. „Fußball ist eine Basis für alles. Er ist unsere Gesellschaft“, sagt Hertha-Fan Petra. „Er ist für alle da, unabhängig davon, wer man ist oder welche Mannschaft man unterstützt. So wie unsere Demokratie auch für alle da ist.“
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.