12. Januar 2025

Bundestagswahl: Scholz und die SPD hoffen auf ein Wunder

Von Admins

Die SPD zieht mit Bundeskanzler Olaf Scholz an ihrer Spitze in den Bundestagswahlkampf. Mit großer Mehrheit bestätigten die 600 Delegierten Scholz auf einem Sonderparteitag in Berlin offiziell als Kanzlerkandidat. Sechs Wochen vor der Wahl gibt sich die Partei geschlossen, nachdem die Kandidatur des 66-Jährigen zuvor nicht unumstritten war.

Scholz ist mit seiner „Ampel“-Regierung aus SPD (rot), Grünen und FDP (gelb) vorzeitig gescheitert. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend sind 77 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit unzufrieden. Schlechter schneidet kein Kanzlerkandidat der übrigen Parteien ab. Vor allem deshalb wollte in der SPD die Diskussion, ob nicht ein deutlich beliebterer Sozialdemokrat für die Partei ins Rennen gehen sollte, wochenlang nicht abreißen.

Olaf Scholz will kämpfen

Doch Scholz wäre nicht Scholz, wenn er sich davon beeindrucken ließe. Umfragen sollte man zur Kenntnis nehmen, aber nicht danach handeln, so lautet eine seiner Devisen. Es gehört zu seinen hervorstechenden Merkmalen, dass er von sich selbst felsenfest überzeugt ist, und er kann sehr stoisch und ausdauernd sein, wenn er etwas will.

Auf dem Parteitag war ein entschiedener, ja kämpferischer Olaf Scholz zu erleben. Kein Wunder, schließlich geht um sein politisches Überleben. Verliert die SPD die Bundestagswahl, dann war Scholz‘ mit gut drei Jahren Amtszeit der am kürzesten amtierende Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Umfragen lassen genau das vermuten, die SPD kommt derzeit auf knapp die Hälfte der Zustimmung, die CDU/CSU erreichen.

Trump, Grönland und die Unverletzlichkeit der Grenzen

Doch bis zum Wahltag kann noch viel passieren – das ist das Mantra, mit dem sich die Sozialdemokraten und ihr Spitzenkandidat Mut zusprechen. „Es ist eine verdammt ernste Zeit, eine Zeit, in der dramatische Dinge passieren. Es sind Dinge, die hätte noch vor ein paar Jahren, vielleicht sogar vor ein paar Monaten oder gar Wochen, niemand für möglich gehalten“, sagte Scholz in seiner knapp einstündigen Rede.

Am 20. Januar wird Donald Trump als US-Präsident vereidigt. Schon jetzt wirbelt er mit Gebietsansprüchen auf Grönland, den Panama-Kanal und Kanada viel diplomatischen Staub auf. Und seine Forderung, jeder NATO-Staat müsse künftig fünf Prozent seiner Wirtschaftskraft für Verteidigungsausgaben aufbringen, lässt in Europa so manchem den Atem stocken.

Den USA widersprechen, das hat schon 2003 funktioniert

Im Wahlkampf aber könnten Trumps Drohungen und Forderungen dem Bundeskanzler Chancen bieten. Auf dem Parteitag wies Scholz Trumps Ansprüche erneut zurück: „Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land, egal, ob es im Osten von uns liegt oder im Westen. An dieses Prinzip muss sich jeder Staat halten. Kein Land ist der Hinterhof eines anderen, kein kleines Land soll sich vor seinem großen Nachbarn fürchten müssen, das ist ein Kern dessen, was wir westliche Werte nennen, unsere Werte.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht beim außerordentlichen SPD-Bundesparteitag zu den Delegierten. Er trägt einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Hinter ihm ist eine Videoanzeige zu sehen, auf der er ebenfalls zu sehen ist. An seinem Rednerpult steh sein Wahlkampfspruch: "Mehr für dich. Besser für Deutschland."
Olaf Scholz will eine Aufholjagd starten und setzt auf SiegBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Man fühlt sich an das Jahr 2003 erinnert, als sich der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder ebenfalls im Wahlkampf gegen den Irak-Feldzug von US-Präsident George W. Bush stellte. Sein Dagegenhalten brachte ihm in Deutschland viel Zustimmung und am Ende gewann Schröder die Bundestagswahl überraschend.

Was wird aus der deutsch-amerikanischen Freundschaft?

In der SPD wissen sie, dass es ab dem 20. Januar absehbar auf der internationalen Bühne noch unruhiger werden wird. „Das ist auch eine Zeit, in der auch von Amerika aus bestimmte Kräfte ganz gezielt daran arbeiten, unsere demokratischen Institutionen des Westens zu zerstören“, warnt Scholz. „Eine Zeit, in der wir nicht sicher sein können, wie sich unser Verhältnis zu den USA in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird.“

Vor knapp drei Jahren überfiel Russland die Ukraine, seitdem tobt der Krieg. Die SPD stehe „ohne wenn und aber“ zur Ukraine, betont Scholz. Zugleich würden er als Kanzler und die Partei aber darauf achten, „dass wir nicht hineingezogen werden in diesen Krieg“. Dabei werde es bleiben. „Ich bleibe standfest und besonnen, darauf können sich alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verlassen. Meine Prinzipien gelten immer. Ich messe nie mit zweierlei Maß.“

Die SPD plant so viele Wahlkampfauftritte wie möglich

Im Gegensatz dazu sprach Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in seiner Rede dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz die Fähigkeit zur Führung Deutschlands ab. Es handele sich um jemanden, „der noch nie Verantwortung getragen hat“. Merz sei jemand, „der einfach nicht weiß, was er tut“.  Die SPD habe dagegen in Kanzler Scholz einen „Krisenmanager“.

Wo die SPD noch erfolgreich ist

Parallel zu seiner Arbeit im Kanzleramt wird Scholz in den nächsten Wochen auf zahlreichen Wahlkampfterminen auftreten. „Olaf Scholz wird ein Programm an Auftritten haben, das an die Kapazitätsgrenzen geht, auch bei Kontakten mit den Bürgern“, sagt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. „Ein wirklich hartes Programm für ihn, was ihn sicherlich auch an physische Grenzen bringt, aber da ist er sehr zäh und ich bin mir sicher, er macht das.“

Kein Sparkurs bei Sozialausgaben

Die Hoffnung der SPD richtet sich auch auf die Mobilisierung von Nicht-Wählern. Viele Bürger hätten sich bislang noch nicht mit den programmatischen Inhalten der Parteien beschäftigt. In ihrem 63-seitigen Programm mit dem Titel „Mehr für Dich. Besser für Deutschland“ setzt die SPD auf einen starken Staat und den Ausgleich zwischen Arm und Reich. Mehr Investitionen in Wirtschaft, Infrastruktur und Verteidigung sollen durch höhere Steuern für Reiche und mehr Staatsschulden finanziert werden. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wird genauso gefordert wie die höhere Besteuerung von hohen Erbschaften.

Der Sozialstaat soll bewahrt werden. „Sorgen wir jetzt dafür, dass die ganz normalen Leute in Deutschland gut klarkommen mit anständigen Löhnen, bezahlbaren Lebensmitteln oder erschwinglichen Mieten? Oder zahlen die ganz normalen Leute am Ende die Zeche für Steuergeschenke der Union an Reiche und Superreiche?“, so Olaf Scholz auf dem Parteitag. „Sorgen wir jetzt für stabile Renten, für gute Gesundheit und Pflege, für intakte Schulen und Kitas oder setzen wir ausgerechnet da den Rotstift an?“

Deutschlandfonds und „Made in Germany“-Bonus

Für mehr Investitionen in Strom- und Wärmenetze, Ladesäulen und Wohnungsbau will die SPD einen sogenannten Deutschlandfonds einrichten, aus dem Beteiligungen und Darlehen finanziert werden. Außerdem plant die SPD einen „Made in Germany“-Bonus: Investitionen in Maschinen und Geräte sollen mit zehn Prozent der Anschaffungssumme über eine Steuererstattung gefördert werden.

Ein rotes Herz ist in Berlin am Nachthimmel zu sehen, daneben der Berliner Funkturm, ebenfalls rot angeleuchtet. 350 leuchtende Drohnen sind dafür im Einsatz.
Der Parteitag fand auf dem Gelände der Messe Berlin statt. 350 leuchtende Drohnen erzeugten ein rotes Herz über dem TagungsortBild: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa

Ganz durchgerechnet sind die Vorschläge nicht: Die Deckungslücke beträgt nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) 30 Milliarden Euro pro Jahr. Im Programm der Union klafft laut IW allerdings ein dreimal so großes Loch.

Gegen Hass, Hetze und Spaltung

In der Migrations- und Asylpolitik warnt die SPD davor, „nach rechts“ abzubiegen. Deutschland müsse ein modernes Einwanderungsland bleiben. „Drei von zehn in unserem Land haben eine Einwanderungsgeschichte. Wer hier dauerhaft lebt und arbeitet, wer gut integriert ist, wer deutsch spricht, soll zu unserem Land gehören können, sie sollen mitbestimmen können in unserer Demokratie“, fordert Olaf Scholz.

Deutschland stehe an einem „Scheideweg“, warnt der Kanzler, der darum kämpft, sein Amt behalten zu können. „Wenn wir in Deutschland am 23. Februar falsch abbiegen, dann werden wir am Morgen danach in einem anderen Land aufwachen.“