23. Januar 2024

Deutschland nimmt Abschied von Wolfgang Schäuble

Von Admins

Bei einem Trauerstaatsakt im Bundestag haben Vertreterinnen und Vertreter des politischen Lebens Abschied von dem CDU-Politiker Wolfgang Schäuble genommen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) nannte ihren unmittelbaren Vorgänger einen „großen Demokraten und Staatsmann“. Für Schäuble sei die europäische Einigung ein Friedensprojekt gewesen, „die Lehre aus der deutschen Geschichte“. Dass der Staatsakt zu Schäubles Ehren am Jahrestag des Élysée-Vertrages zur Aussöhnung der beiden einstigen Kriegsgegner Deutschland und Frankreich stattfinde, „hätte ihm gefallen“, sagte Bas. Der Vertrag war vor 61 Jahren unterzeichnet worden, er gilt bis heute als Grundlage der deutsch-französischen Freundschaft.

Bas: „Zuletzt zu einer Instanz geworden“

Politische Rückschläge und persönliche Schicksalsschläge habe Schäuble weggesteckt, so die SPD-Politikerin weiter – seit dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 saß Schäuble im Rollstuhl. „Er machte weiter. Für die Demokratie. Für dieses Land. Und er hat Historisches vollbracht“, erinnerte sie an die Leistungen Schäubles als Architekt der Deutschen Einheit. Schäuble sei „der vollendete Staatsdiener“ gewesen und zuletzt über Parteigrenzen hinweg „zu einer Instanz geworden“.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, der französische Staatschef  Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kurz vor dem Trauerstaatsakt
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, der französische Staatschef Emmanuel Macron und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kurz vor dem TrauerstaatsaktBild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Macron-Rede zu großen Teilen auf Deutsch

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte Schäuble in einer in großen Teilen auf Deutsch gehaltenen Rede: „Deutschland hat einen Staatsmann verloren. Europa hat eine Säule verloren. Frankreich hat einen Freund verloren.“ Ein halbes Jahrhundert lang habe man die Stimme „dieses Deutschen“ hier hören können, so Macron weiter. Dass Schäuble sich gewünscht habe, dass bei seiner Trauerfeier ein Franzose rede, sagte viel aus über das Vertrauen zwischen diesen Ländern, über ihre Geschichte und Zukunft. Für seine Ausführungen erhielt der französische Staatschef stehenden Applaus.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bei seiner Rede beim Trauerstaatsakt für Wolfgang Schäuble im Bundestag am 22. Januar 2024
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz: „Schäuble konnte in der Sache sehr hart sein…aber sein Umgang war immer fair“Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Merz: Haltung hat ihm „nicht nur Freunde eingetragen“

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wies darauf hin, dass Schäuble nie müde geworden sei, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Deutschland „Verantwortung in und für Europa“ habe, aber auch Vertrauen in Europa brauche. „Dieses Vertrauen muss sich Deutschland immer wieder und beständig erarbeiten, verbunden mit der Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen, ergänzte Merz, der auch Chef der Unionsfraktion im deutschen Parlament ist.

Schäuble „konnte in der Sache sehr hart sein, und das hat ihm – zum Beispiel in der Finanzkrise – nicht nur Freunde eingetragen“, fügte Merz vor dem Hintergrund der damaligen scharfen Kritik Griechenlands an Schäubles Kurs hinzu. „Aber sein Umgang war immer fair, er war immer bereit, seinem Gegenüber respektvoll zuzuhören, und war immer bereit, im Interesse Europas Kompromisse zu machen.“

Altkanzlerin Angela Merkel begrüßt im Bundestag Altbundespräsident Joachim Gauck. Daneben die früheren Staatsoberhäupter Christian Wulff (M.) und Horst Köhler (l.)
Altkanzlerin Angela Merkel begrüßt im Bundestag Altbundespräsident Joachim Gauck. Daneben die früheren Staatsoberhäupter Christian Wulff (M.) und Horst Köhler (l.) Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

An dem Trauerstaatsakt nahmen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dessen Vorgänger Joachim Gauck, Christian Wulff und Wolfgang Köhler teil. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war unter den Teilnehmern, ebenso seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU).

„Ein Antipopulist“ – „ein Dialogiker par excellence“

Zuvor hatten Vertreter der Kirchen und Religionen Schäuble bei einem Gedenkgottesdienst im Berliner Dom als überzeugten Christen und hingebungsvollen Demokraten gewürdigt. Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, sagte: „Er war ein Antipopulist und ein Mensch, der sich ganz und gar, mit all seiner Kraft, Leidenschaft und Hingabe in den Dienst unseres Gemeinwesens und unserer Demokratie gestellt hat.“ Als langjähriger Bundesminister habe er sich „als Dialogiker par excellence“ erwiesen. Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber erinnerte an die Einführung der Islamkonferenz durch Schäuble. Dabei hätten sich in besonderer Weise „nüchterne Einsicht und visionäre Kraft“ verbunden.

Die kommissarische Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, beim Gedenkgottesdienst für Wolfgang Schäuble im Berliner Dom
Die kommissarische Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, beim Gedenkgottesdienst für Wolfgang Schäuble im Berliner Dom Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Schäuble war am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstadt Offenburg gestorben. Der CDU-Politiker gehörte in den vergangenen Jahrzehnten zu den einflussreichsten Politikern Deutschlands und gilt als Architekt der deutschen Einheit. Von 1972 bis 2023 war er 51 Jahre lang ununterbrochen Bundestagsmitglied und bei seinem Tod der dienstälteste Abgeordnete. Von 2017 bis 2021 war er Bundestagspräsident.

In den Regierungen von Helmut Kohl und Angela Merkel (beide CDU) gehörte er mehrmals dem Kabinett an, unter anderem als Chef des Kanzleramtes, als Finanz- sowie als Innenminister. Zudem war er in den 1990er Chef der Unionsfraktion und zwei Jahre auch CDU-Bundesvorsitzender.