3. März 2025

Europa am Scheideweg: Wie geht es für die Ukraine weiter?

Von Admins

Es handelt sich um einen „einmaligen Moment“ für Europas Sicherheit betont der britische Premierminister Keir Starmer, als er am Sonntag das Gipfeltreffen beginnt. Links neben ihm sitzt der französische Präsident Emmanuel Macron, rechts der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Den anwesenden weiteren europäischen Staats- und Regierungschefs, EU-Spitzenpolitikern, NATO-Generalsekretär Mark Rutte, dem türkischen Außenminister Hakan Fidan und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau dürfte der Ernst der Lage bewusst sein.

Der Gipfel am Sonntag war schon vor dem öffentlichen Zerwürfnis zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj am Freitag geplant. Bereits unmittelbar danach sicherten viele der europäischen Staats- und Regierungschefs der Ukraine ihre Solidarität zu. Auf dem Gipfel besprachen sie, wie diese künftig aussehen kann.

Weitere Militärhilfe für die Ukraine

Wichtig sei, die Ukraine in eine möglichst starke Position zu bringen. Man wolle das Land weiter militärisch unterstützen und den wirtschaftlichen Druck auf Russland aufrechterhalten, betonte der britische Premierminister Keir Starmer im Anschluss an das Treffen. Der Brite kündigte an, der Ukraine 1,6 Milliarden Pfund (rund 1,9 Milliarden Euro) zur Verfügung zu stellen, um damit mehr als 5000 im Vereinigten Königreich hergestellte Flugabwehrraketen zu kaufen. Am Samstag hatte das Vereinigte Königreich einen 2,2 Milliarden-Pfund-Kredit (fast 2.7 Milliarden Euro) für die Ukraine unterzeichnet, abgesichert durch die eingefrorenen russischen Gelder.

Man müsse dafür sorgen, dass die Ukraine auch nach einem Frieden auf lange Sicht verteidigungsfähig bleibe. Oder in den Worten der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Die Ukraine müsse zu einem „Stahl-Stachelschwein“ werden, welches unverdaulich für mögliche Angreifer sei.

Auch der noch amtierende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die anhaltende Unterstützung auch in Friedenszeiten „weit über das ökonomische Potential der Ukraine hinaus“ als einen wichtigen Faktor. Außerdem dürfe man russischen Forderungen, wie das Einsetzen einer pro-russischen Regierung oder eine Demilitarisierung der Ukraine, nicht nachgeben.

Olaf Scholz vor diversen Mikrofonen
Bundeskanzler Olaf Scholz hält an der deutschen Unterstützung für die Ukraine festBild: Henry Nicholls/AFP

Eine „Koalition der Willigen“ zur Friedenssicherung

Bereits vor dem Treffen hatte der britische Premierminister Keir Starmer bei der BBC angekündigt, dass man gemeinsam mit Frankreich, und möglicherweise ein oder zwei anderen Staaten gemeinsam, mit der Ukraine an einem Plan arbeite, um die Kämpfe zu beenden. Diesen wolle man im Anschluss den USA präsentieren. Man sei auf dem „richtigen Weg“ sagte Starmer.

Auch habe man sich darauf geeinigt, dass jeder Frieden die Souveränität und Sicherheit der Ukraine garantieren müsse. Und das Land müsse Teil der Verhandlungen sein, betonte Starmer. Um einen möglichen Frieden abzusichern, solle eine „Koalition der Willigen“ einen Plan ausarbeiten. An diesem Sonntag sei es darum gegangen, die anderen Staaten hinter diesem Plan zu vereinen.

Bislang haben sich sowohl das Vereinigte Königreich als auch Frankreich öffentlich dazu geäußert, Truppen in die Ukraine zu schicken, um ein mögliches Friedensabkommen abzusichern. Laut dem britischen Premierminister hätten sich auch andere Staaten bereit gezeigt. Er wolle es den Staaten selber überlassen, sich dazu zu äußern.

Ohne die USA wird es nicht gehen

Allerdings wurde auch klar, dass es ohne die Hilfe der USA nicht gehen wird. So forderte Starmer, dass Europa zwar die Hauptlast tragen müsste. Doch damit es erfolgreich sei, bräuchten diese Bemühungen die starke Unterstützung der USA. Insbesondere an der Absicherung eines Friedensdeals arbeite man mit den USA. Für eine solche steht die Idee eines „Backstops“ – also eines Eingreifens im Ernstfall durch die Amerikaner im Raum. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat sich dazu bislang nicht öffentlich geäußert.

Auch in einigen anderen Bereichen, wie etwa der Logistik, geheimdienstlichen Informationen, oder der Aufklärung ist die europäische Verteidigung grundsätzlich auf die Zusammenarbeit mit den USA angewiesen.

Auch der deutsche Bundeskanzler betonte, dass an dem heutigen Treffen „sehr gut“ gewesen sei, dass sich alle einig gewesen seien, dass die transatlantische Zusammenarbeit „auch in Zukunft“ wichtig sei.

NATO_Generalsekretär Mark Rutte winkt, daneben der britische Premierminister Keir Starmer
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte Wolodymyr Selenskyi bereits im Vorfeld gesagt, er müsse einen Weg finden, um die Beziehung zu den USA wieder zu kitten. Bild: Toby Melville/REUTERS

Wie man das Verhältnis zwischen der Ukraine und den USA nach dem Zerwürfnis wieder kitten will, ist bislang nicht klar. Bereits im Vorfeld des Treffens hatte NATO-Generalsekretär Mark Rutte der BBC gesagt, er hätte Präsident Selenskji aufgefordert, einen Weg zu finden, die Beziehung zum amerikanischen Präsidenten Trump wieder herzustellen. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte ein baldiges Gipfeltreffen zwischen den USA und den Europäern vorgeschlagen. Dazu wurde bis Sonntagabend nichts Neues bekannt.

Auch Europa muss aufrüsten

Nach dem Treffen ging EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ebenfalls vor die Presse. Man müsse Europa „dringend wieder aufrüsten“. Dafür werde sie bei dem anstehenden EU-Gipfeltreffen am 6. März einen Plan vorstellen.

Innerhalb der EU gibt es eine Diskussion darüber, wie diese Aufrüstung in Zeiten knapper Kassen finanziert werden kann. Die Zahl, die bereits länger im Raum steht, sind 500 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre. Die Mitgliedstaaten bräuchten mehr haushaltspolitischen Spielraum, betonte von der Leyen in London. Bereits auf der Münchener Sicherheitskonferenz hatte sie in Aussicht gestellt, die EU-Schuldenregeln für Rüstungsausgaben zu lockern.

Bundeskanzler Olaf Scholz ergänzte, darüber hinaus würde auch die langfristige Ukraine-Hilfe die Europäer verpflichten und „erhebliche Herausforderungen“ an die nationalen Haushalte der Ukraine-Unterstützer darstellen.

Man werde sich bereits in ein paar Wochen schon wieder treffen, kündigte Starmer abschließend an. Europa sei an einem historischen Scheideweg: Man müsse nicht mehr nur reden, sondern handeln.