Massenproteste gegen Imamoglu-Festnahme in der Türkei
Bei erneuten Protesten gegen die Festnahme des türkischen Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu haben sich nach Angaben seiner Partei allein in der Metropole Istanbul mehrere Hunderttausend Menschen versammelt. Der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP), Özgür Özel, rief der Menge zu: „Wir sind 300.000 Menschen.“ Eine unabhängige Bestätigung für diese Zahl gibt es bislang nicht.

Auch in der Hauptstadt Ankara und im westtürkischen Izmir gab es größere Kundgebungen. An allen drei Orten ging die Polizei gegen Demonstranten vor. Einige Teilnehmer hatten versucht, Barrikaden zu stürmen, oder Polizisten mit Gegenständen beworfen. Die Beamten setzten Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse ein. Mehrere Menschen wurden verletzt, darunter zwei Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Landesweit wurden dem Innenministerium zufolge mindestens 343 Menschen festgenommen.
Mehrtägiges Demonstrationsverbot
Die Behörden hatten für zahlreiche Städte ein mehrtägiges Demonstrationsverbot erlassen. Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Proteste als „Straßenterror“ und warnte vor weiteren Kundgebungen an diesem Wochenende. Er werde Störungen der öffentlichen Ordnung nicht hinnehmen, sagte der 71-Jährige. „So, wie wir dem Terrorismus nie nachgegeben haben, werden wir auch dem Vandalismus nicht weichen“, erklärte Erdogan.

Imamoglu, der Istanbuls Bürgermeister ist, war am Mittwoch nach einer morgendlichen Razzia in seinem Haus festgenommen worden. Außerdem kamen mehr als 100 weitere Menschen in Gewahrsam, darunter Mitarbeiter, Abgeordnete und CHP-Mitglieder. Die Staatsanwaltschaft wirft Imamoglu vor, Anführer einer „kriminellen Organisation“ zu sein. Laut dem Justizministerium wird er zudem der „Unterstützung von Terrorismus“ beschuldigt. Dabei gehe es um mutmaßliche Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK).
Opposition spricht von „Putsch“
Die Opposition bezeichnet die Vorwürfe gegen den 53-Jährigen hingegen als politisch motiviert und spricht von einem „Putsch“ gegen Imamoglu. Der soll an diesem Samstag einem Haftrichter vorgeführt werden. Tags darauf dürfte der beliebte Politiker ungeachtet seiner Festnahme offiziell zum Kandidaten der CHP für die Präsidentenwahl gekürt werden, die regulär 2028 ansteht. Einige Umfragen sehen ihn derzeit in der Wählergunst vor Präsident Erdogan.

Die CHP kündigte unterdessen einen Parteitag für den 6. April an. Der Vorsitzende Özel sagte, es gebe Hinweise auf Pläne, einen Zwangsverwalter für die Partei einzusetzen. Gegen die CHP wird im Zusammenhang mit einem Kongress im Jahr 2023 ermittelt, was die Entlassung der jetzigen Parteiführung nach sich ziehen könnte. Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf, damals seien Mitglieder bestochen worden, damit sie Özel ihre Stimme bei der Wahl des Parteichefs geben. Özel selbst weist die Anschuldigungen zurück.