Neuer Streit zwischen Rom und Berlin über Seenotrettung?
In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb die Rechtspolitikerin Giorgia Meloni, sie habe mit Erstaunen erfahren, dass die deutsche Regierung Organisationen, die sich in Italien mit der Aufnahme von irregulären Migranten auf italienischem Territorium und mit Rettungsaktionen im Mittelmeer beschäftigen, mit erheblichen Mitteln unterstütze, berichten italienische Medien. Der Amtssitz der Regierungschefin bestätigte das Schreiben auf Nachfrage.
Die erhebliche finanzielle deutsche Unterstützung solcher Organisationen, die auf italienischem Territorium agieren, werfe Fragen auf, so Meloni in dem Brief, der auf den vergangenen Samstag datiert ist. Die Regierung in Rom betrachte es als Einmischung in inneritalienische Angelegenheiten, dass die Bundesregierung Hilfsorganisationen fördern will, die sich auf italienischem Boden um Migranten kümmern.
Dies sei außerdem nicht mit der italienischen Regierung abgestimmt gewesen. Stattdessen sollten die EU-Staaten, die an einer konkreten Unterstützung Italiens interessiert sind, eher strukturelle Lösungen finden, heißt es in dem Brief Melonis an Scholz weiter. Sie nannte etwa die Arbeit an einer EU-Initiative mit den Transitländern in Nordafrika.
Bundesregierung reagiert gelassen auf Kritik aus Italien
Nach der Kritik aus der italienischen Regierung hat sich Berlin demonstrativ gelassen gezeigt. Mit Blick auf die finanzielle Unterstützung für die Projekte zur Seenotrettung sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin, er glaube, dies sei „für niemanden von uns eine Überraschung“.
Er verwies darauf, dass die Bundesregierung derzeit eine vom Bundestag festgelegte finanzielle Förderung umsetze. Mit dieser würden sowohl die zivile Seenotrettung auf See als auch Projekte an Land für aus Seenot Gerettete gefördert. Förderungswürdige Organisationen seien ausgewählt worden, nun folge die Förderung. In zwei Fällen stehe die Auszahlung der Mittel in Höhe von jeweils zwischen 400.000 und 800.000 Euro „in Kürze“ bevor.
Bei der ultrarechten Regierung in Rom, die einen harten Kurs gegen Migranten fährt, war die deutsche Finanzhilfe bereits am Wochenende auf scharfe Kritik gestoßen. Verteidigungsminister Guido Crosetto sprach etwa von einem „sehr schwerwiegenden“ Verhalten. Der Zeitung „La Stampa“ vom Sonntag sagte der Politiker der Regierungspartei Fratelli d’Italia, der Schritt bringe Italien „in Schwierigkeiten“. In einer Erklärung fügte er hinzu: „Wenn Deutschland sich um das Schicksal von Menschen in Not kümmern und uns wirklich helfen wollte, Leben zu retten, könnte es uns unterstützen, ernsthaft gegen Kriminelle vorzugehen, die Menschenhandel betreiben.“
Das Thema Migration und auch die Arbeit privater deutscher Hilfsorganisationen im Mittelmeer sorgen schon seit langem für Spannungen zwischen Rom und Berlin, auch in Zeiten früherer Regierungen. In Italien kamen seit Beginn dieses Jahres bereits mehr als 130.000 Bootsflüchtlinge an, das sind schon jetzt fast doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2022. Ein Brennpunkt ist die Mittelmeerinsel Lampedusa, wo allein diesem Monat nach der Überfahrt mehr als 10.000 Menschen an Land gingen.