Trump wird mächtiger, als es die US-Gründungsväter wollten
Es könnten zwei gute Jahre sein, die nun auf die USA zukommen – sofern man die Sicht der Republikaner teilt. Nicht nur, dass ihr Präsidentschaftskandidat Donald Trump am 20. Januar ins Weiße Haus einziehen wird. Die nach rechts gerückte Partei hat bei der Wahl am 5. November außerdem die Mehrheit im US-Senat erobert, der oberen Kammer des Kongresses, und wird auch die untere Kammer, das Repräsentantenhaus, kontrollieren.
Eine sogenannte „einheitliche Regierung“ (unified government) hat es seit 1857, also seit dem Beginn des zwei-Parteien-Systems, wie wir es in den USA heute kennen, 48 mal gegeben. 23 mal hatten die Demokraten das Vergnügen, 25 mal die Republikaner. In diesem Zeitraum kam es 38 mal vor, dass sich die beiden Parteien die Kontrolle über das Weiße Haus und mindestens einer der Kongresskammern teilen mussten.
Die Mehrheit im Kongress hält für eine Präsidentenpartei meist nicht lange an. „Obwohl es zu Beginn einer neuen Präsidentschaft häufig ist, dass eine einzige Partei die Kontrolle in Washington hat, kam es seit 1969 nur ein einziges Mal vor, dass diese Kontrolle über die Zwischenwahlen hinaus ging“, schreibt Katherine Schaeffer für das Pew Research Center
. Die „Midterms“ oder Zwischenwahlen finden nach der Hälfte der Zeit zwischen zwei Präsidentschaftswahlen statt. Allein dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter gelang es von 1977 bis 1981, die komplette Kontrolle ganze vier Jahre lang zu behalten. Allerdings wurde er danach abgewählt, regierte also nur eine einzige Amtszeit.
Die Präsidenten seien sich durchaus bewusst, dass ihre Mehrheit im gesamten Kongress von kurzer Dauer sein könne, sagt Nolan McCarty, Politologe an der Princeton University. „Deswegen gehe ich davon aus, dass Präsident Trump versuchen wird, einige seiner Prioritäten schnell abzuarbeiten“, so McCarty im DW-Interview.
Kann sich Trump über den Senat hinwegsetzen?
Das System der Gewaltenteilung ist so alt wie die Verfassung der Vereinigten Staaten. Die Gründerväter legten das System der „checks and balances“ fest, auf dem die Teilung der heutigen Exekutive (der Präsident), Legislative (der Kongress) und Judikative (der Oberste Gerichtshof und die anderen Gerichte im Land) des Landes beruhen. In der „Virginia Bill of Rights“ von 1776 heißt es beispielsweise: „Die gesetzgebende und die ausführende Gewalt des Staates sollen von der richterlichen Gewalt getrennt und klar geschieden sein …“
Zu Beginn von Trumps Amtszeit wird die Mehrheit im Senat besonders wichtig sein, weil die obere Kongress-Kammer alle vom US-Präsidenten nominierten Kabinettsmitglieder bestätigen muss. Die Republikaner werden zwar eine Mehrheit haben, mit 53 zu 47 allerdings nur eine knappe. Und einige von Trumps Kabinettskandidaten sind sehr umstritten. Dazu zählen beispielsweise die ehemalige Demokratin Tulsi Gabbard oder der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz, der aufgrund seiner extremen Politik selbst in der eigenen Partei auf Widerstand stoßen könnte.
Am liebsten würde der baldige Präsident die lästige Bestätigung komplett umgehen. Sollte er Kabinettsmitglieder ernennen, während der Senat Sitzungspause hat, könnten Trumps Wunschkandidaten ihren Job auch ohne Bestätigung antreten. Auf der Plattform X hat Trump die republikanischen Senatoren bereits dazu aufgerufen, diesem ungewöhnlichen Verfahren zuzustimmen.
„Es steht zur Diskussion, ob der Senat in eine Sitzungspause gehen wird, um dem Präsidenten zu erlauben, sein Kabinett ohne Zustimmung [der Kammer] zu ernennen“, sagt McCarty. „Wir hatten noch nie eine Situation, in der solche Ernennungen in diesem großen Ausmaß vorkommen. Das passiert hin und wieder mal mit ein oder zwei Positionen. Aber eine gesamte Regierung, die so besetzt wird, wäre Grund zur Besorgnis.“
Die entscheidende Rolle des Supreme Court
Obwohl Trump anscheinend vor hat, sein Kabinett auf unkonventionelle Weise durchzusetzen, ist eine republikanische Einheitsregierung im Weißen Haus und im Kongress wie erwähnt nicht ungewöhnlich. Aber die kommende US-Regierung hat noch ein Ass im Ärmel, denn Trump ist es während seiner ersten Amtszeit gelungen, durch die Ernennung von zwei Richtern und einer Richterin einen stark konservativ ausgerichteten Supreme Court zu schaffen. Offiziell ist dieser Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten überparteilich, aber de facto ernennen Präsidenten nur Juristen oder Juristinnen, die ihrer Politik nahestehen.
Von fünf Richtern und vier Richterinnen, die auf Lebenszeit ernannt werden, kann Trump auf die Unterstützung von sechs zählen. Experten wie McCarty gehen davon aus, dass der Präsident versuchen wird, viele seiner großen Versprechen auf administrativem Wege durch Durchführungsverordnungen durchzubringen, die nicht den Kongress passieren müssen. „Der normale Kontrollvorgang [für diese Verordnungen] sind die Gerichte“, sagt McCarty. Und da der Obere Gerichtshof und auch andere Gerichte darunter mehrheitlich mit Republikanern besetzt seien, „werden sie es [Trump] ein bisschen einfacher machen, der juristischen Kontrolle zu entgehen“, so der Politologe weiter.
„Mehr Macht, als sich die Urheber der Verfassung je vorgestellt haben“
Dies könnte auch das Thema Massendeportationen betreffen. Fragen zur Rechtmäßigkeit eines Militäreinsatzes in dieser Sache oder zur Änderung des Geburtsrechts von in den USA geborenen Personen könnten vor dem Obersten Gerichtshof landen, sagt Sarah Binder von der George Washington University im DW-Gespräch. Sie ist besorgt darüber, dass sich der Supreme Court in seiner aktuellen Besetzung nicht an etablierten Gesetzen orientiert, sondern häufig im Sinne der Republikaner entscheidet. So sei es beispielsweise geschehen, als es um das Abtreibungsrecht oder die Immunität des Präsidenten ging, so Binder.
„Das ist es, was mich beunruhigt“, sagt die Politologin. „Das Gericht würde Präsident Trump den Rücken stärken und ihn ermächtigen, der Exekutive weitaus mehr Macht zu geben, als sich das die Urheber der Verfassung jemals vorgestellt haben.“