Ursula von der Leyen erhielt in der geheimen Wahl 400 Ja-Stimmen. 89 Delegierte stimmten gegen sie, es gab zehn ungültige Stimmen. In einer Rede auf dem Kongress in Rumäniens Hauptstadt Bukarest nannte von der Leyen den Kampf für Frieden, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand als einen Schwerpunkt für ihre Wahlkampagne. „Das Signal von Bukarest heute ist, dass die EVP für Europa steht, für ein starkes, sicheres, friedliches, wohlhabendes, demokratisches und geeintes Europa“, sagte die 65-Jährige.
Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine betonte sie, Ziel sei es, Kiew weiter zu helfen – und zwar „so lange wie notwendig“. Moskau habe „versucht, die Ukraine aus der Welt hinwegzufegen“. Als weitere größte Herausforderungen der nächsten Zeit nannte sie den Israel-Hamas-Krieg im Gazastreifen und den Aufstieg Chinas. Von der Leyen strebt aus der Position der EVP-Spitzenkandidatin heraus eine zweite fünfjährige Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission an.
Zu der christlich-konservativen Parteienfamilie EVP gehören neben der deutschen CDU und CSU unter anderem die österreichische ÖVP, die italienische Forza Italia und Spaniens konservative Volkspartei PP. Die deutschen Unionsparteien hatten von der Leyen im Februar als Spitzenkandidatin der EVP vorgeschlagen. In Deutschland findet die Europawahl 2024 am 9. Juni statt.
An dem Treffen in Bukarest nahm auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz teil. Er sagte dort, von der Leyen habe „Europa eine starke Stimme in der Welt gegeben“ und in der Corona-Pandemie wie während des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in den vergangenen viereinhalb Jahren „Führungsstärke gezeigt“.
Gute Chancen für von der Leyen
Der Posten des Präsidenten der EU-Kommission muss nach der Europawahl neu besetzt werden. Dann müssen sich erst die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Besetzung der Kommissionsspitze einigen, ehe das Parlament abstimmt. Ernannt wird in der Regel ein Kandidat der europäischen Parteienfamilie, die bei der Europawahl am besten abschneidet. In Umfragen liegt die EVP bislang klar vorn. Die Chancen sind deswegen groß, dass von der Leyen im Amt bleiben kann.
Als Präsidentin der EU-Kommission ist von der Leyen seit dem 1. Dezember 2019 Chefin von rund 32.000 Mitarbeitern, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die 65-Jährige bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Das US-Magazin „Forbes“ kürte von der Leyen erst jüngst wieder zur „mächtigsten Frau der Welt“.
EVP hat neues Wahlprogramm
Am Mittwoch hatte die Europäische Volkspartei in Bukarest ein Wahlprogramm für die Europawahl im Juni verabschiedet. Darin schreiben die Delegierten der designierten Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen einen konservativeren Kurs für die EU-Kommissionsspitze ins Stammbuch. Das Parteienbündnis dürfte nach Ansicht von Beobachtern von der Leyens Handlungsspielraum beim Klimaschutz wie in der Migrationspolitik im Fall einer zweiten Brüsseler Amtszeit deutlich einschränken.
Der deutsche EVP-Chef Manfred Weber sagte in Bukarest: „Ursula von der Leyen ist unsere Spitzenkandidatin, und alle programmatischen Positionen der Europäischen Volkspartei werden von Ursula von der Leyen geteilt.“ Dies gelte selbstverständlich auch für das Europawahl-Manifest. Der rund 23-seitige Text mit dem Titel „Unser Europa, eine sichere und gute Heimat für die Menschen“ enthält allerdings eine Reihe von Programmpunkten, die sich deutlich von der Politik von der Leyens unterscheiden.
Änderungen in zwei wichtigen Politikfeldern
Auf Distanz geht das konservative Parteienbündnis insbesondere zu von der Leyens Vorzeigeprojekt „Green Deal“. Damit will die CDU-Politikerin die EU bis 2050 klimaneutral machen – was ihr den Vorwurf eingehandelt hat, zu Grünen-nah zu sein. In dem EVP-Wahlprogramm heißt es, der Green Deal dürfe die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen nicht einschränken und die Landwirtschaft nicht gefährden. Im Europaparlament hatten die Konservativen unter dem Eindruck der Bauernproteste zuletzt mehrfach gegen Gesetzesvorlagen der EU-Kommission gestimmt. Mangels Unterstützung sah sich von der Leyen etwa gezwungen, Vorschläge für weniger Pestizide zurückzuziehen.
Auch in der Migrationspolitik drängt die EVP auf eine deutlich härtere Gangart für die nächste fünfjährige Legislatur nach der Europawahl vom 6. bis 9. Juni. Europa müsse wieder „Kontrolle über die Migration“ erhalten, heißt es in dem Manifest unter Anspielung auf die mehr als eine Million Asylanträge, die im vergangenen Jahr in den 27 EU-Ländern, Norwegen sowie der Schweiz gezählt wurden.