23. August 2024

US-Demokraten feiern Tim Walz als Vize von Kamala Harris

Von Admins

Der demokratische US-Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz hat die Amerikaner zu Zusammenhalt aufgerufen und vor der Politik des Republikaners Donald Trump gewarnt. Was Trump und seine Leute vorhätten, sei nicht nur „eigenartig“, sondern auch falsch und gefährlich, sagte Walz in einer Rede beim Parteitag der Demokraten in Chicago. Dort nahm er feierlich seine Nominierung als Vize der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris an und sagte, dies sei „die Ehre meines Lebens“. 

„Für ein Amerika, in dem Arbeiter Priorität haben“ 

Walz beklagte, Trump wolle die soziale Absicherung beschneiden und den Menschen wesentliche Freiheiten nehmen wie den Zugang zu Abtreibungen und künstlicher Befruchtung. Harris und er hätten eine andere Vision für das Land. Sie stünden für ein Amerika, „in dem Arbeiter Priorität haben, in dem Gesundheitsversorgung und Wohnraum Menschenrechte sind und in dem sich die Regierung verdammt noch mal aus dem Schlafzimmer fernhält“.

Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen und eine Zukunft zu schaffen, in der jeder sein Leben frei gestalten könne, so Walz weiter. Trump und sein Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance verfolgten dagegen eine radikale Agenda. Trump warf Walz zudem vor, den ganzen Tag damit zu verbringen, „Menschen zu beleidigen und anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben“.

Die demokratischen Parteitagsdelegierten in Chicago halten beim Auftritt des Vizepräsidentschaftskandidaten Schilder mit der Aufschrift "Coach Walz" hoch
Die demokratischen Parteitagsdelegierten in Chicago sind von den politischen Qualitäten des Vizepräsidentschaftskandidaten überzeugt Bild: Brendan Mcdermid/REUTERS

Der Gouverneur des Bundesstaates Minnesota gab sich in seiner nur 15-minütigen Rede als „Mann von nebenan“, der aus einer Kleinstadt stamme, wo einer den anderen akzeptiere. „Die Familie am Ende der Straße denkt vielleicht nicht so wie Sie, sie betet vielleicht nicht so wie Sie, sie liebt vielleicht nicht so wie Sie.“ Aber es seien Nachbarn, also kümmere man sich um einander. 

Lehrer und Footballtrainer, Jagdfreund und Waffenbesitzer

Die demokratischen Wahlkampfstrategen inszenieren den 60-Jährigen systematisch als den nahbaren Ex-Lehrer und Ex-Football-Trainer, den hemdsärmeligen Vater aus dem Mittleren Westen. Der Demokrat wuchs auf dem Land auf, in einem kleinen Ort im Bundesstaat Nebraska, diente bei der Nationalgarde, wurde später Lehrer und Football-Trainer, bevor er in die Politik wechselte, erst als Abgeordneter im Repräsentantenhaus, seit 2019 ist er Gouverneur von Minnesota. Beim Parteitag waren auch frühere Schüler von ihm dabei. 

Der zweifache Vater geht zudem gerne jagen und hat daher eigene Waffen. Gleichzeitig ist er einer mit liberalen Ansichten, der viel Rückhalt im linken Flügel der Partei hat. Walz hat damit einen weit weniger glamourösen Lebenslauf als andere, die für den Vizeposten im Gespräch waren. Er bringt aber einiges mit, was Harris – als schwarze Frau, Ex-Staatsanwältin und Senatorin aus dem Westküstenstaat Kalifornien – dringend braucht.

Der frühere US-Präsident Bill Clinton redet mit ausgebreiteten Armen beim Parteitag der US-Demokraten
Der frühere demokratische US-Präsident Bill Clinton nannte die Entscheidung für Walz als Vizepräsidentschaftskandidat „einen Volltreffer“ Bild: Mike Segar/REUTERS

Zuvor hatte der frühere US-Präsident Bill Clinton auf dem Parteitag für Walz und Harris geworben. Beide seien zwei Führungspersönlichkeiten „mit typisch amerikanischen und doch unwahrscheinlichen Lebensgeschichten“, sagte der Ex-Präsident. So etwas könne „nur hier“ passieren. „Wenn Sie für dieses Team stimmen, wenn Sie sie ins Amt bringen können und sie für frischen Wind sorgen lassen, werden Sie für den Rest Ihres Lebens stolz darauf sein“, fuhr er fort. Clinton sagte weiter, Harris habe mit der Wahl von Walz zu ihrem sogenannten Running Mate „einen Volltreffer gelandet“.

„Don’t count the lies, count the I’s“

Auch Clinton fuhr schweres Geschütz gegen Trump auf: „Wenn Sie ihn das nächste Mal hören, zählen Sie nicht die Lügen. Zählen Sie die Ichs („Don’t count the lies, count the I’s“)“, so Clinton vor der begeisterten Menge in Anspielung auf die vielen bislang unbewiesenen Behauptungen Trumps. Dieser denke nur an sich selbst, während Harris für das Land eintrete.

Die Demokraten stellten in diesem Zusammenhang auch den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in den Mittelpunkt. Ein Video zeigte, wie Trump seine Anhänger aufrief, stark zu sein und zu kämpfen, bevor sie das Kapitol stürmten, um Joe Bidens Sieg gegen Trump im Jahr 2020 zu verhindern. Die Delegierten verharrten in bedrücktem Schweigen, was im scharfen Kontrast zu ihrem Jubel und Applaus während des gesamten Parteitags stand.

Die US-Talkshow-Legende Oprah Winfrey redet in Chicago mit erhobenen Armen
Für die US-Talkshow-Legende Oprah Winfrey müssen am 5. November auch Anstand und Respekt auf dem Wahlzettel stehenBild: Kevin Wurm/REUTERS

Schließlich traten auch Musiker Stevie Wonder und Grammy-Preisträger John Legend in Chicago auf, ebenso sowie Schauspielerin Mindy Kaling und Schauspieler Kenan Thompson. Viel Applaus bekam zudem Talk-Queen Oprah Winfrey. Sie versetzte Trump und Vance bei ihrem Überraschungsauftritt einige Seitenhiebe, ohne die beiden beim Namen zu nennen. Sie mahnte, ab und zu müsse sich Amerika gegen Mobber zur Wehr setzen, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Bei der Präsidentenwahl am 5. November stünden auch Anstand und Respekt auf dem Wahlzettel. Winfrey zählt zu den einflussreichsten Frauen in den USA.

„Hersh, wir lieben dich, bleib stark, überlebe“

Für Ovationen ganz anderer Art sorgten schließlich die Eltern eines 23-jährigen US-Amerikaners, der von der Terrororganisation Hamas während des 7. Oktobers als Geisel genommen wurde. Jon und Rachel Polin hielten in Chicago eine bewegende Rede, in der sie die Freilassung ihres Sohnes und aller verbliebenen Geiseln im Gazastreifen forderten.

Rachel und Jon Polin, die Eltern der Hamas-Geisel Hersh Goldberg-Polin, mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck in Chicago
Rachel und Jon Polin, die Eltern der Hamas-Geisel Hersh Goldberg-Polin, sorgten für den vermutlich ergreifendsten Auftritt in Chicago Bild: Elizabeth Frantz/REUTERS

Jon Polin wörtlich: „Dies ist eine politische Versammlung. Aber wir brauchen unseren einzigen Sohn und alle Geiseln. Das ist keine politische Frage, es ist eine humanitäre Frage.“ Sein Sohn Hersh Goldberg-Polin – er hat die israelische und die US-Staatsbürgerschaft – wurde bei einem Musikfestival in der Negev-Wüste verschleppt.

Polin rief zugleich eindringlich zu einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas auf – und ging auch auf die Lage im Gazastreifen ein. In dem Palästinensergebiet herrsche durch die von Israel als Reaktion auf den Hamas-Angriff gestartete Militäroffensive „Verzweiflung“. Und Rachel Polin rief unter Tränen vieler Delegierter aus: „Hersh, wenn du uns hören kannst, wir lieben dich, bleib stark, überlebe.“