US-Repräsentantenhaus weiter führungslos
Die Krise im Kapitol in Washington verschärft sich immer mehr: Das seit drei Wochen in der Hauptstadt der USA blockierte Repräsentantenhaus bleibt führungslos. Tom Emmer, der dritte von den Republikanern für den Vorsitz der Parlamentskammer ausgewählte Kandidat, warf am Dienstag nur wenige Stunden nach seiner Nominierung das Handtuch. Emmer ist bisher der sogenannte Einpeitscher („Majority Whip“) bei den Republikanern: Das bedeutet, dass er der Parteiführung im Repräsentantenhaus dabei hilft, Mehrheiten in der Fraktion für vorgeschlagene Gesetze zu bekommen.
Doch schon kurz nach der Nominierung des 62-Jährigen wurde in Washington deutlich, dass er angesichts von parteiinternen Widerständen kaum Chancen hatte, ins dritthöchste Staatsamt der USA zu kommen. 26 Abgeordnete signalisierten, dass sie Emmer bei der Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses nicht unterstützen wollen. Damit hätte er voraussichtlich keine Mehrheit im Plenum bekommen, wo die Republikaner nur eine äußerst knappe Mehrheit haben.
Vorwürfe von Hardlinern
Rechte republikanische Hardliner werfen Emmer vor, nicht ausreichend hinter Ex-Präsident Donald Trump zu stehen. Sie stören sich auch daran, dass der Abgeordnete aus dem Bundesstaat Minnesota sich für Ukraine-Hilfen und für die Homo-Ehe ausgesprochen hat. Für Emmer wurde zum Problem, dass sich Trump offen gegen ihn als Vorsitzenden aussprach und gegen ihn Stimmung machte.
Um in das nach Präsident und Vizepräsident drittwichtigste politische Amt in den USA gewählt zu werden, ist eine absolute Mehrheit im Repräsentantenhaus nötig. Sind alle Parlamentarier anwesend, sind das 217 Ja-Stimmen für eine Wahl zum „Speaker“, wie der Vorsitzende des Repräsentantenhauses genannt wird. Nur wenige Abweichler in den eigenen Reihen sind nötig, um die Mehrheit zu kippen. Denn die Republikaner sind gerade mal mit 221 Abgeordneten in der Kongresskammer vertreten, die Demokraten von Präsident Joe Biden stellen 212 Abgeordnete.
Drohender „Shutdown“ durch gelähmtes Parlament
Das Repräsentantenhaus ist schon seit drei Wochen gelähmt. Der bisherige Vorsitzende Kevin McCarthy war am 3. Oktober durch eine Revolte rechter Hardliner in den eigenen Reihen gestürzt worden. Die Suche nach einem Nachfolger verläuft höchst chaotisch.
Der zunächst von den Republikanern nominierte Mehrheitsführer Steve Scalise zog seine Kandidatur zurück, nachdem klar wurde, dass er die notwendige Mehrheit verfehlen würde. Der daraufhin nominierte rechte Hardliner Jim Jordan fiel im Plenum bei drei Anläufen klar durch. Die Fraktion entzog dem Trump-Vertrauten daraufhin am vergangenen Freitag die Nominierung. Nun scheiterte auch Tom Emmer, der seit 2015 im Repräsentantenhaus sitzt.
Die seit Wochen andauernde Selbstblockade hat weitreichende Folgen: Ohne Vorsitzenden ist die Parlamentskammer bei der Gesetzgebung blockiert. Damit kann der aus Senat und Repräsentantenhaus bestehende Kongress unter anderem keine weiteren Militärhilfen für Israel und Ukraine beschließen, um die Präsident Biden das Parlament gebeten hat. Den USA droht zudem Mitte November ohne Lösung im Haushaltsstreit zwischen Regierung und Parlament ein sogenannter „Shutdown“. Dann müssen Staatsbedienstete die Arbeit niederlegen, weil sie kein Gehalt mehr bekommen.