6. November 2024

US-Senat: Richtungswahl im Schatten der Präsidentenkür

Von Admins

Viele Augen auf der ganzen Welt werden sich am Wahltag darauf richten, wer als nächstes ins Weiße Haus einzieht: Kamala Harris oder Donald Trump? Doch wie handlungsfähig die Demokratin oder der Republikaner im Oval Office sein wird, entscheidet sich zweieinhalb Kilometer weiter: im Kongress, der am 5. November ebenfalls zu großen Teilen neu gewählt wird.

Das Parlament der Vereinigten Staaten besteht aus zwei Kammern. Das Repräsentantenhaus setzt sich aus Abgeordneten zusammen, die jeweils einen der 435 Wahlkreise mit ungefähr gleicher Bevölkerungszahl repräsentieren. Sie werden alle zwei Jahre neu gewählt, also auch bei den Mid Terms, die eine Präsidentschaft in zwei Hälften unterteilen. Seit den Mid-Term-Wahlen 2022 halten die Republikaner eine knappe Mehrheit. Meinungsforscher erwarten auch diesmal ein knappes Rennen.

Im Senat wird nur jeder dritte Sitz neu vergeben

Im Senat gibt es 100 Sitze, zwei für jeden Bundesstaat. Das heißt, Wyoming mit weniger als 600.000 Einwohnern hat so viel Einfluss wie Kalifornien mit seinen fast 39 Millionen Bürgern. Die 100 Senatorinnen und Senatoren sind jeweils auf sechs Jahre gewählt.

Allerdings sind sie in drei sogenannte Klassen eingeteilt, deren Amtszeiten zueinander verschoben werden. Dadurch wird alle zwei Jahre ein Drittel des Senats neu gewählt. In diesem Jahr ist Klasse I an der Reihe, die zuletzt in der Mitte der Präsidentschaft Donald Trumps 2018 neu besetzt wurde.

Die überlappenden Wahlperioden seien in der US-Verfassung verankert worden, um im Gegensatz zum Repräsentantenhaus eine gewisse Stabilität zu erhalten, erläutert Katja Greeson, Direktorin des Transatlantik-Programms am Aspen Institute Germany.

„Die Idee ist einfach, dass Senatoren auch längerfristig ihre legislativen Ziele verfolgen können, anstatt sich auf Wahlkämpfe fokussieren zu müssen. Ob das dann in der Realität so ist, da bin ich ein bisschen skeptisch – in den USA gibt es einen Dauerwahlkampf“, sagt Greeson im Gespräch mit der DW.

Strategischer Nachteil für die Demokraten

Die Klassen sind so besetzt, dass aus jedem Bundesstaat immer nur ein Senator neu gewählt wird. Eine Ausnahme ist in diesem Jahr der republikanisch dominierte Bundesstaat Nebraska, wo ein vorzeitig ausgeschiedener Senator ersetzt wird.

In diesem Jahr sind die Demokraten in einem strategischen Nachteil: Sie müssen 19 Sitze verteidigen, außerdem läuft die Amtszeit von vier unabhängigen Senatoren aus, die in der Regel mit den Demokraten stimmen.

Von den gegenwärtig 49 republikanischen Senatoren müssen dagegen nur elf ihren Sitz verteidigen, die übrigen 38 sind noch mitten in ihrer jeweiligen Amtszeit. Die Demokraten haben also wesentlich mehr zu verlieren.

Die wichtigsten Duelle

Mit der zunehmenden Polarisierung der politischen Landschaft in den USA sei es unüblicher geworden, dass Wähler bei Präsidentschafts- und Kongresswahlen ihr Kreuz bei unterschiedlichen Parteien machen, meint Katja Greeson. „Trotzdem könnte Split Voting in diesem Jahr entscheidend sein.“

Als Beispiel nennt sie Maryland, das auf Präsidentschaftsebene zwar als sicherer Staat für Harris gilt. Im Senat tritt der demokratische Amtsinhaber nicht mehr an – gegen die Demokratin Angela Alsobrooks kandidiert der moderate Republikaner Larry Hogan.

„Er ist in Maryland sehr beliebt, und ich erwarte auf jeden Fall, dass es einige Wähler gibt, die für ihn stimmen würden, und gleichzeitig auch für Harris.“

In Montana könnte Umfragen zufolge der Demokrat Jon Tester seinen Senatssitz an den Republikaner Tim Sheehy verlieren. Die wohl knappste Entscheidung erwarten Meinungsforscher in Ohio, wo zwischen dem demokratischen Amtsinhaber Sherrod Brown und seinem republikanischen Herausforderer Bernie Moreno noch kein Favorit zu erkennen ist.

In anderen Staaten gibt es dagegen klare Favoriten: So darf sich der prominente Demokrat Adam Schiff darauf einstellen, in Kalifornien zum Senator gewählt zu werden – bisher saß er im Repräsentantenhaus. Und auch im wesentlich kleineren Wyoming kann der republikanische Amtsinhaber John Barrosso wohl einer vierten Amtszeit entgegensehen.

Der Senat und die Beinfreiheit für Harris oder Trump

Nun ist der Ausgang der Wahlen in den USA noch völlig offen – so könnte sich ein möglicher Präsident Trump mit einem demokratisch dominierten Repräsentantenhaus konfrontiert sehen, das seine Beinfreiheit bei der Gesetzgebung einschränkt.

Donald Trump und Kamala Harris bei einer TV-Debatte
Das Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris ist offen – aber die Kongresswahlen werden entscheiden, wie viel Gestaltungsspielraum der neue Präsident oder die neue Präsidentin hatBild: Brian Snyder/REUTERS

Ein anderes denkbares Szenario ist, dass eine mögliche Präsidentin Kamala Harris mit einer knappen republikanischen Mehrheit im Senat zurechtkommen müsste.

„Es wird ein Rückschlag für Harris sein, wenn der Senat republikanisch ist“, meint Katja Greeson vom Aspen Institue Germany. „Dann würde es in den ersten Monaten extrem schwer für die Präsidentin, wichtige Posten zu besetzen – Richter, ihre Kabinettsmitglieder und Botschafter zum Beispiel müssen vom Senat bestätigt werden. Es ist zwar historisch unüblich, dass viele dieser Personalien abgelehnt werden. Aber man weiß nicht, wie sehr ein neuer Senat mit der Tradition brechen würde.“

Auch in sachpolitischen Fragen – zum Beispiel der Klimapolitik, der Unterstützung der Ukraine, der Schuldenobergrenze oder Harris‘ Vorhaben, Lebensmittelpreise zu senken und in Wohnraum zu investieren – würde es schwer. Greeson sagt: „Sie müsste dann einfach von vornherein überparteiliche Kompromisse suchen.“