6. November 2024

USA: Harris und Trump ringen um junge männliche Wähler

Von Admins

Es ist ein sonniger Dienstagnachmittag in Washington. Vom Präsidentenpark hinter dem Weißen Haus ertönt laute Popmusik und und in der langen Schlange, in der die Studenten Noah und Liam stehen, geht es langsam aber sicher vorwärts. Die beiden Freunde sind an diesem 29. Oktober hier, um, wie zehntausende andere Menschen, einer Rede der demokratischen Präsidentschaftskandidatin und Vizepräsidentin Kamala Harris beizuwohnen. Wetter und Stimmung sind gut, da macht es nichts, ein paar Stunden anzustehen, um in den abgesperrten Bereich vor der Rednerbühne zu kommen. Ein Sieg der Kandidatin, der die Menschen hier später zujubeln werden, hätte historische Bedeutung – Harris wäre die erste Frau im Weißen Haus.

Liam, 21 Jahre alt, findet das aufregend: „Wir brauchen einen Wandel in diesem Land und ich denke, eine Frau könnte das erreichen.“ Sein Freund Noah, 20, stimmt ihm zu. Er mache sich besonders Sorgen darum, dass der republikanische Kandidat Donald Trump persönliche Rechte einschränken könnte, und um dessen Außenpolitik.

Die beiden gehören zu einer heiß umkämpften Wählergruppe: junge Männer. Bei vielen vergangenen Wahlen gaben viele männliche Wähler unter 30 ihre Stimme nicht ab. Das könnte diesmal anders werden: In einer Umfrage der Harvard Kennedy School, für die im Oktober 2024 rund 2000 Wähler zwischen 18 und 29 Jahren befragt wurden, gaben immerhin 56 Prozent der männlichen Teilnehmer an, sie würden „definitiv“ bei der kommenden Präsidentschaftswahl von ihrem Wahlrecht gebrauch machen.

Steht Donald Trump für „Hyper-Maskulinität“?

Sowohl bei jungen Männern als auch bei jungen Frauen liegt Kamala Harris vorn. Allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Unter den Teilnehmerinnen der „Harvard Youth Poll

“ gaben 52 Prozent an, sie würden für Harris stimmen, 27 Prozent sagten, sie würden den republikanischen Kandidaten Donald Trump wählen. Das wäre ein Vorsprung von 25 Prozentpunkten für Harris. Bei den teilnehmenden Männern hatte Harris nur einen Vorsprung von 9 Prozentpunkten. In anderen Umfragen liegt Trump bei jungen männlichen Wählern sogar einige Prozentpunkte vor Harris.

Frank Gonzalez, Politologe an der University of Arizona, vermutet, dass dabei die wachsende Beliebtheit vermeintlich männlicher Eigenschaften bei jungen Männern eine Rolle spielt. Stärke, Macht und ein Respekt vor Autorität gingen „Hand in Hand mit Hyper-Maskulinität“, meint Gonzalez laut einem Bericht der University of Arizona

. „Und eine Bevorzugung von Stärke und Dominanz ist einer der Faktoren, die am sichersten voraussagen, dass jemand Donald Trump unterstützt.“

Trump-Wähler: „Wir brauchen einen Mann“

Der 19-jährige Kevin ist auch bei der Wahlveranstaltung von Kamala Harris. Er hat seine Stimme bereits abgegeben, will aber zunächst nicht so recht sagen, für wen: „Naja, ich habe nicht für sie gestimmt“, sagt er mit einem kleinen Grinsen. Er habe für Donald Trump gestimmt, sagt er dann, weil er dessen Wirtschaftspolitik vorziehe. Trotzdem ist er für die Harris-Rede extra aus Pennsylvania angereist – quasi als Begleitung für seinen Freund Maximo. Der 18-Jährige ist noch unentschlossen, wen er wählen soll. Ob es ein Mann oder eine Frau wird, die ins Weiße Haus einzieht, spiele für ihn keine Rolle: „Es kommt nicht auf das Geschlecht an, ob man den Job machen kann“, sagt Maximo.

Zwei junge Männer in der Abenddämmerung auf einer großen Wiese bei der Kamala Harris Rally in Washington, Menschen im Hintergrund , 29.10.24
Kevin (links) und Maximo: Für beide ist die Wirtschaft das wichtigste Thema. Kevin hat bereits für Trump gestimmt, Maximo ist noch unentschlossen.Bild: Carla Bleiker/DW

Das sieht Neil anders. Der Endzwanziger ist ein glühender Trump-Verehrer. Die DW hat ihn zwei Tage zuvor bei der Rede des Republikaners im New Yorker Madison Square Garden getroffen: „Er wird das Land zum Besseren verändern, weil wir einen Mann brauchen“, rief Neil vor der Veranstaltungshalle in Manhattan ins DW-Mikro. „Er wurde angeschossen. Der Typ ist ein Kämpfer. Auf mich wurde auch schon geschossen, ich weiß, wie das ist. Und er kämpft immer noch für uns. Das ist Amerika, Baby.“

Obama appelliert an junge schwarze Wähler

Seit Jahrzehnten gelten schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner als eine sichere Bank für die Demokraten. Dass sich, wie Neil, auch immer mehr junge Afroamerikaner Trump zuwenden, ist ein besonderer Grund zur Besorgnis für Harris.

Deshalb schaltete sich kürzlich der erste schwarze Präsident der US-Geschichte ein. Anfang Oktober sprach Demokrat Barack Obama mit einer Gruppe junger schwarzer Männer in Pittsburgh in Pennsylvania, einem der bei der Wahl so wichtigen Swing-States. „Zum Teil denke ich, dass ihr euch einfach nicht so richtig wohl fühlt mit dem Gedanken, eine Frau als Präsidentin zu haben“, sagte Obama. „Und jetzt überlegt ihr, dieses Mal zu Hause zu bleiben, oder sogar, jemanden zu wählen, der euch in der Vergangenheit verunglimpft hat? Weil ihr glaubt, es sei ein Zeichen von Stärke, Frauen runterzumachen? Das ist inakzeptabel.“

Justin und Joseph bei der Harris-Veranstaltung, zwei junge Männer vor einer hohen Absperrung, im Hintergrund der Präsidentenpark mit dem Weißen Haus, Washington, 29.10.24
Justin (links) und Joseph sind stolz darauf, an der gleichen Universität zu studieren wie einst Kamala HarrisBild: Carla Bleiker/DW

Harte Worte vom ehemaligen Präsidenten. Justin, 19, und Joseph, 18, brauchen keinerlei Ermutigung, um Harris zu unterstützen. Die beiden Erstwähler stehen am Dienstag in Washington ebenfalls in der Schlange, um die demokratische Präsidentschaftskandidatin zu sehen. Auch sie haben ihre Stimme bereits abgegeben, für Harris. Justin und Joseph studieren an der Howard University, einer der ältesten und renommiertesten Universitäten der USA, die vornehmlich der Ausbildung von Afro-Amerikanern gewidmet ist. Hier machte 1986 auch Harris ihren Bachelor-Abschluss.

„Sie kam an die Howard und hat mit uns gesprochen“, erzählt Joseph stolz. „Sie ist viel bodenständiger als Trump.“ Dass bei ihrem Sieg eine Frau ins Weiße Haus einziehen würde, stört ihn überhaupt nicht. „Wir können mal was anderes gebrauchen“, sagt Joseph. Das sieht Justin genauso. Mit einem hörbaren Seufzer sagt er, „Ich habe es satt, einen weißen Mann im Amt zu sehen.“