„Unsere Sicherheitsumgebung hat sich dramatisch verändert. Die heutigen Bedrohungen sind groß, global und zunehmend in der digitalen Welt,“ warnte Henna Virkkunen, EU-Vizekommissionspräsidentin in Straßburg.
Als Beispiele nannte sie eine mächtige organisierte Kriminalität, terroristische Netzwerke, hybride Bedrohungen und Angriffe auf die kritische Infrastruktur – oft durch feindliche Staatsakteure. 64 Prozent der Europäer seien besorgt über die Sicherheit. Sie erwarteten, dass die EU handle, sagte die Finnin, die bei der EU-Kommission für technische Souveränität und Sicherheit zuständig ist.
Sicherheitsstrategie setzt auf Früherkennung
Die Antwort der EU-Kommission ist die „ProtectEU“-Strategie, die am Dienstag vorgestellt wurde. Bereits zuvor hatte die EU-Kommission erklärt, wie die EU im Bereich der Verteidigung wehrhafter werden will. Bei der am Dienstag vorgelegten Strategie geht es vor allem um die innere Sicherheit.
Für diese setzt die Strategie auf Früherkennung und Prävention. So soll es in Zukunft regelmäßige EU-interne Risikoanalysen geben und mehr Datenaustausch – auch von Geheimdienstdaten zwischen den Mitgliedstaaten.
NATO sucht neue Strategie gegen hybride Angriffe
Außerdem will die EU, dass Mitgliedstaaten wehrhafter gegen sogenannte hybride Bedrohungen werden – also beispielsweise Cyberangriffe, die Krankenhäuser oder Stromnetze lahmlegen. Dafür soll in Zukunft die kritische Infrastruktur besser gesichert und durch neue Regeln die Sicherheit im Netz garantiert werden.
Nach Angaben des Strategiepapiers gingen einige der schwersten hybriden Angriffe auf die europäische Sicherheit und Demokratie auf Falschinformationen und illegale Aktivitäten im Internet zurück. Daher wolle man bestehende Gesetze, wie das Digitale Dienste Gesetz, rigoros umsetzen.
Europol soll aufgewertet werden
Gleichzeitig soll es eine härtere Gangart und mehr Personal im Kampf gegen Kriminalität geben. Die Grenzschutzagentur Frontex, die für die EU-Außengrenzen zuständig ist, soll von derzeit rund 10.000 Mitarbeitern auf 30.000 ausgebaut werden. Auch die Polizeibehörde Europol soll „massiv aufgewertet“ werden, erläuterte Innenkommissar Magnus Brunner vor dem EU-Parlament.
Das Strategiepapier kündigt für 2026 einen Gesetzesvorschlag an, um Europol in eine „operative Polizeibehörde“ zu verwandeln. Unter anderem soll das technologische Fachwissen und die Kapazitäten Europols bei der Unterstützung der nationalen Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden. Derzeit unterstützt Europol die Mitgliedstaaten bereits bei der Kriminalitätsbekämpfung.

Außerdem wolle man härteres Geschütz bei der Rechtsdurchsetzung auffahren, wie etwa Undercover-Ermittlungen oder Kronzeugenprozesse, sagte EU-Kommissar Brunner im EU-Parlament. Weitere Maßnahmen sind im Bereich der Terrorismusbekämpfung und dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen geplant. Die Sicherheitsstrategie enthält ein Bündel an angekündigten Gesetzesakten, die zur Umsetzung noch weitere gesetzgeberische Schritte benötigen.
Doch bei der Strategie soll es nicht nur um Gesetze gehen. Vielmehr wolle man ein „neues Sicherheitsdenken“ bei den Europäern schaffen, sagte der EU-Innenkommissar vor den EU-Parlamentariern. In dem Strategiepapier ist die Rede von einem die ganze Gesellschaft umfassenden Ansatz, der alle Bürger aber auch Interessenvertreter, wie die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und private Unternehmen umfasst.
Viele EU-Parlamentarier begrüßen die Strategie
Der Politiker der konservativen Europäischen Volkspartei Tomas Tobé sagte im EU-Plenum, dass es sich bei der Strategie um ein klares Signal an die EU-Bürger handle, dass Sicherheit die Top-Priorität ist. Denn „ohne Sicherheit, gebe es keine Freiheit“, so der Schwede.
Darauf Bezug nehmend, sagte der deutsche liberale Europa-Abgeordnete Moritz Körner: „Wer die Freiheit aufgibt, um die Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende alles verlieren.“ So müsste es laut dem FDP-Politiker rote Linien geben. Es dürfte nicht zu Massenüberwachung oder der Aufweichung von Grundrechten kommen.
Kritik kommt von der Abgeordneten Mary Khan, die für die vom deutschen Verfassungsschutz in Teil als rechtsextrem eingestufte Alternative für Deutschland im EU-Parlament sitzt. „Statt unsere Grenzen zu schützen, liefern Sie uns technokratische Planspiele zur Resilienz und zivil-militärischer Zusammenarbeit,“ sprach sie EU-Kommissar Brunner direkt an.
Für die Sozialdemokratin Birgit Sippel kam die Strategie wiederum zu einem wichtigen Zeitpunkt. Nie sei das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit so stark gewesen. Und dennoch, mahnte sie, dürfe man sich nicht von „Angst, Unsicherheit und scheinbar einfachen Ideen treiben lassen“.